Nach der Notlandung Schulfrei

Pionier der Luftfahrt
Der Augenzeuge Walther Hillenkamp (1897-1976), damals Schüler am Gymnasium, erinnerte sich 1941: „Ich kam gerade aus der Klosterkirche, als ein wilder Tumult in den dunklen Gängen des Gymnasiums entstand. Sextaner, Quintaner und Quartaner brüllten durcheinander, so dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Bei Dössel sei ein Flugzeug gelandet, hieß es, wir hätten schulfrei!“ An der Landestelle angekommen, sah man: „Die Holzverstrebungen waren zerfetzt, die Drähte verbogen und, wie man erzählte, vier Zylinder entzwei.“ Der Pilot der Maschine war Otto Lindpainter (1885-1979). In der Zeit zwischen 1910 bis 1914 galt er als einer der besten deutschen Flieger. Lindpainter hatte Philosophie und Medizin studiert und sich daneben dem Automobilsport und der aufkommenden Luftfahrttechnik verschrieben. 1914 musste er wegen einer bei der Musterung zur Luftwaffe festgestellten Gleichgewichtsstörung den Flugsport aufgeben.

Farman-Zweidecker
Otto Lindpainter war bei der Bruchlandung mit leichten Hautabschürfungen und einem Schrecken davongekommen. Zwei Monteure, die aus Kassel herangeholt wurden, konnten die Flugmaschine nicht wieder in Stand setzen, sie wurde mit der Bahn abtransportiert. Am rechten Rand der Fotografie ist außer dem Namen des Fliegers auch der Flugzeugtyp angegeben: Farman-Zweidecker. Der französische Konstrukteur Henri Farman hatte die Maschine entwickelt. Schon bald sollte sie auch militärisch eingesetzt werden.

Flugmaschinen vom Neustädter Kirchturm aus beobachtet
Lindpainter war nicht der einzige, der im Juli 1911 das Bördestädtchen überflog. Am Vorabend konnten bereits zwei Flugzeuge beobachtet werden. Walter Hillenkamp, der die Flugmaschinen vom Neustädter Kirchturm aus beobachtet hatte, erinnert sich: „Es gab damals noch keine geschlossenen Kabinen mit allen Schikanen, sondern die Flugzeugbesatzung, zumeist nur aus einer einzigen Person bestehend, saß mehr oder weniger luftig vorn auf einem ziemlich primitiven Sitz mit freiem Ausblick nach allen Seiten, und das Auffallendste waren die vielen Drähte und Verstrebungen, mit denen die Maschine gesteuert oder mit denen sie zusammengehalten wurde.“

Dass erstmals Flugzeuge über Warburg zu sehen waren, ging auf den ersten Deutschlandflug überhaupt zurück. Der „Verein Deutscher Flugtechniker“ hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem in mehreren Etappen eine Gesamtstrecke von 1900 Kilometern geflogen werden sollte. Die „B.Z. am Mittag“ aus dem Berliner Ullstein-Verlag stiftete ein Preisgeld von 100.000 Mark. Weitere Gelder kamen vom Kriegsministerium, von Städten, Vereinen und von Privatpersonen, so dass bald mehr als 400.000 Mark zur Verfügung standen. Der Wettbewerb mit mehr als 20 Teilnehmern fand vom 11. Juni bis 7. Juli 1911 statt. Die Route: Berlin (Johannisthal) – Magdeburg – Schwerin – Hamburg – Kiel – Lübeck – Lüneburg – Hannover – Minden – Bielefeld – Münster – Köln – Dortmund – Kassel – Nordhausen – Halberstadt – Dessau – Berlin. Geflogen wurde in Tagesetappen von höchstens 200 Kilometern. Gesamtsieger war derjenige, der zum Schluss von der ausgeschriebenen Gesamtstrecke die meisten Kilometer erflogen hatte. Quelle: ‚Westfalen-Blatt‚.

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