Mit dem kreisenden Bussard in der Thermik

Nimbus 4 „EP“ D-6318. Was für Laien kryptisch klingt, lässt die Herzen von Segelfliegern höher schlagen. Es ist die Bezeichnung für ein spezielles Segelflugzeug, das der ehemalige Schalksmühler Josh Jarosch in diesem Jahr fliegen durfte – und mit dem ihm eine ganz besondere Leistung gelang: Ein 1000-Kilometer-Flug ohne Motor-Unterstützung. Dabei beginnt die Geschichte dieses Fluges schon deutlich früher. Josh Jarosch, der in Schalksmühle aufwächst, findet über seine Tante den Weg zum Segelfliegen. „Sie hat mich mitgenommen zum Flugplatz in Radevormwald – und ich war gleich begeistert.“ Mit gerade einmal 14 Jahren beginnt Josh Jarosch seine Segelflug-Karriere beim LSV Radevormwald, lernt alles über Thermik, Aerodynamik, und wie man Wind und Wetter für sich nutzt.

Die Ausbildung in den Lehrflugzeugen erfolgt im Verein noch mit Unterstützung – in einem Zweisitzer-Segelflieger. Hinten sitzt dabei der Fluglehrer, vorn der Schüler. „Dabei gibt es im hinteren Bereich die gleichen Instrumente wie vorn. So kann der Fluglehrer jederzeit eingreifen, wenn das nötig sein sollte“, erklärt Jarosch. Mit 14 Jahren bestreitet Josh Jarosch auch seinen ersten Flug alleine im Segelflieger. „Ich fühlte mich schon gut ausgebildet, aber natürlich ist das ein ganz besonderer Moment“, erinnert sich der heute 26-Jährige. Angst vor dem ersten Alleinflug hatte er nicht: „Mit 14 macht man sich da nicht so den Kopf drum.“ Heute ist Jarosch selbst ehrenamtlicher Fluglehrer beim LSV Radevormwald. „Und wenn jetzt meine 14-jährigen Schüler ihre ersten Flüge alleine unternehmen, bin ich viel nervöser als bei meinem eigenen ersten Flug.“

Die Begeisterung für den Segelflugsport lässt bei Josh Jarosch nicht mehr nach
Er durchläuft die entsprechenden Ausbildungen und erlangt mit 16 Jahren seine Segelflugzeugpilotenlizenz. „Vor der Lizenz plant man seine Flüge immer noch mit einem Fluglehrer zusammen, schaut mit ihm gemeinsam nach den Wetterdaten und der Strecke. Nach der Ausbildung macht man das entsprechend selbst, darf das Segelflugzeug dann komplett eigenverantwortlich führen.“ Dabei ist es Josh Jarosch wichtig zu betonen, dass Segelfliegen kein elitärer Sport ist: „Der LSV Radevormwald hat sieben Segelflugzeuge. Die kann man als Mitglied mit der entsprechenden Lizenz und nach Absprache nutzen.“ Ein eigenes Flugzeug ist also nicht nötig.

2021 nimmt Jarosch an den Deutschen Meisterschaften teil
Es ist aber nicht nur das Fliegen selbst, das Jarosch liebt, sondern auch die sportliche Herausforderung – nicht nur im Flieger: Von der F- bis zur A-Jugend spielt Josh Jarosch Handball in Schalksmühle, bevor er zur TG Voerde nach Ennepetal wechselt. „Im Winter der Handball, im Sommer das Fliegen“, lacht Jarosch. Doch er will sich nicht nur mit dem Ball in der Halle, sondern auch mit anderen Piloten messen. Also nimmt er an vielen Segelflug-Wettbewerben teil – „und das relativ erfolgreich“, sagt Jarosch bescheiden. So erfolgreich, dass er in den D-Kader des Aero-Clubs NRW aufgenommen wird, noch bevor er volljährig ist. Im Jahr 2021 nimmt Jarosch an den Deutschen Meisterschaften in Burg Feuerstein teil – und erreicht den 7. Platz. „Dadurch wurde ich in die Junioren-Nationalmannschaft Deutschlands aufgenommen.“

Und so konnte sich Josh Jarosch auch den Nimbus 4 „EP“ D6318 für ein Jahr sichern: Die Bundeskommission Segelflugzeug verleiht in jedem Jahr zwei Segelflieger an besonders talentierte junge Segelflieger. Im Jahr 2022 erhält Josh Jarosch den Zuschlag. „Das ist so ein Super-Flugzeug mit einer Wahnsinns-Leistung“, schwärmt Jarosch. Entsprechend teuer ist der „Nimbus“ aber auch in der Anschaffung: „Als Normalverdiener kann man sich das nicht leisten, daher ist es wirklich einmalig, dass mir das Flugzeug zur Verfügung gestellt wurde und eine Riesenchance.“ Mit einer besonders großen Spannweite von knapp 27 Metern kommt der Nimbus auf eine sehr hohe Gleitzahl. „Die Gleitzahl beschreibt vereinfacht gesagt die Strecke in Kilometern, die ein Segelflugzeug mit 1000 Metern Höhe zurücklegen kann.“ Wenn also ein Flugzeug mit Gleitzahl 40 in einem Kilometer Höhe geradeaus fliegt, würde das Flugzeug nach 40 Kilometern den Boden berühren. „Gängige Modelle haben eine Gleitzahl von etwa 35 bis 40, der Förderflieger aber von 60.“

Maximal sechs Wenden erlaubt
Und mit diesem Flugzeug bestreitet Josh Jarosch auch den 1000-Kilometer-Flug, eine Marke, die nicht allzu viele Piloten knacken: „In unserem Verein etwa ist das in letzten fünf Jahren nur vier Mal vorgekommen.“ Josh Jarosch erreicht sein Ziel am 15. Juli: Er legt 1021 Kilometer in elf Stunden und fünf Minuten zurück. Natürlich hatte er sich auf den Flug vorbereitet, die Strecke vorher geplant, die Wettervorhersagen studiert. „Aber in der Luft muss man seinen Plan immer wieder anpassen“, weiß Jarosch. Wichtig für Segelflieger sind Thermiken, also warme, aufsteigende Luftströme, mit denen sie sich nach oben schrauben und so an Höhe gewinnen, um weiter gleiten zu können. „Dafür muss aber das Wetter stimmen, denn Thermiken entstehen hauptsächlich durch Sonneneinstrahlung.“ Um zunächst auf Flughöhe zu kommen, werden die Segelflieger mit einem motorisierten Schlepp-flugzeug auf rund 600 bis 700 Meter Höhe gebracht, anschließend sind die Piloten auf die Thermiken angewiesen. Und auf ihr Können. Höchstens sechs Wendungen dürfen während eines 1000-Kilometer-Fluges vollzogen werden, damit er gewertet wird. „Da müssen die Schenkel, die man fliegt, entsprechend lang sein und das ist in Deutschland mit den unterschiedlichen Wetterlagen gar nicht so einfach.“

Josh Jaroschs Flug startet gut: „Ich bin schnell los gekommen und erst mal bis nach Marburg geflogen, bevor der erste Knackpunkt kam: Ich wollte eigentlich Richtung Thüringer Wald weiter, aber da stimmte am Morgen das Wetter noch nicht.“ Also umplanen. Weiter geht’s Richtung französische Grenze ins Saarland. Die Grenze überqueren allerdings dürfen Segelflieger nicht ohne weiteres. „Da braucht man spezielle Genehmigungen und die hatte ich in diesem Fall nicht.“ Weil aber die Thermik auf dem Weg nach Marpingen so gut ist, dreht Josh Jarosch und fliegt fast auf der identischen Strecke zurück und dann weiter nach Hessen, wo er nordöstlich von Kassel erneut dreht und Kurs Richtung Gießen nimmt. „Da waren es schon knapp 700 Kilometer. Ich war ganz gut in der Zeit, weil ich zuvor recht schnell unterwegs gewesen bin.“ Gerechnet werden nämlich etwa zehn Stunden für die 1000 Kilometer, also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h. Von Gießen nach Lüdenscheid nämlich nimmt die Qualität der Thermik ab, Josh Jarosch wird langsamer.

„Das ist insofern schwierig, weil mit der untergehenden Sonne natürlich auch viel Thermik fehlt. Mann muss also möglichst viel Strecke bei Tageslicht schaffen.“ Von Lüdenscheid aus fliegt Jarosch weiter über den Rhein bis nach Aachen. Dabei hilft die Industrie im Kölner Raum – auch Kohlekraftwerke sorgen für eine gewisse Thermik. Die nutzt Jarosch, dreht schließlich in Aachen kurz vorm Dreiländereck und macht sich auf den Heimweg nach Radevormwald. Doch im Bergischen Land lässt die Thermik nach, Jarosch verliert an Höhe und muss schließlich auf dem Flugplatz Langenfeld-Wiescheid landen. Dort holt ihn ein Freund mit dem Schleppflugzeug ab. Doch es ist geschafft: elf Stunden höchste Konzentration, ständiges Umplanen und nicht der höchste Komfort: „Im Segelflieger sitzt man ein wenig wie in der Badewanne, nur minimal bequemer“, lacht Jarosch.

Nach Langeweile bei elf Stunden im Flieger gefragt, verneint der 26-Jährige umgehend. „Deshalb heißt es ja auch Segelflugsport. Man steht die ganze Zeit unter Anspannung, hat einen Puls von fast durchgehend 100 bis 120, muss immer konzentriert bleiben, sich auf die Gegebenheiten einlassen und entsprechend reagieren.“ Ohnehin kommt Langeweile für Josh Jarosch im Segelflieger nie auf. „Für mich ist Fliegen immer noch jedes Mal ein Event, ein Highlight. Es gibt kaum etwas Schöneres als Deutschland von oben zu sehen – insbesondere das bergige Sauerland – oder sich die Thermik mit einem kreisenden Bussard zu teilen.“ Quelle: ‚come-on.de‚. Foto: ‚Stefan Langer‚.

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