Mehr Bewerber als „Piloten für einen Tag“

Das letzte Mal, als der Segelflugclub SFC Betzdorf-Kirchen zu der Aktion „Pilot/in für einen Tag“ eingeladen hatte, war Corona lediglich eine Bier-Marke. Die Teilnehmer-Plätze für den Schnuppertag auf und über dem Flugplatz Katzwinkel-Wingendorf waren heiß begehrt. Über 30 Interessenten hatten sich beworben, aber nur die ersten 13 von ihnen konnten diesmal berücksichtigt werden, da sonst die beiden Gruppen zu groß geworden wären. Alle anderen wird der SFC in den nächsten Wochen zu Einzelaktionen einladen. Aber wie funktioniert das überhaupt, man kann das Fliegen mit dem Segelflugzeug ja nicht an einem Tag lernen? Vereinsmitglieder hatten vor dem Eintreffen der „Schnupper-Piloten“ schon die doppelsitzigen Schulflugzeuge und die „Husky“, das 180 PS starke rot-blaue Schleppflugzeug des SFC, aus dem Hangar geräumt, ebenso wie den Rettungsbus, mit dem vor dem Flugbetrieb die Piste abgefahren wird.

Nach einer kurzen Einführung von Wolfgang Ermert, Ausbildungsleiter für Segelflug beim SFC, wurden zwei Gruppen gebildet, die von Wolfgang Ermert und den Fluglehrern Jörg Klingauf und Jochen Kuhlmann an die Flugzeuge geführt wurden. Schnell wurde den Fluginteressenten klar, dass Sicherheit noch weit vor dem Fliegen kommt. Gemeinsam mit den Fluglehrern und einigen fortgeschrittenen Flugschülern des SFC, Viktor, Lars und Louisa, wurden die Flugzeuge erstmal an allen kritischen Stellen durchgecheckt. So bekamen die Neulinge von Anfang an mit, worauf es dabei ankommt. Vor dem Einsteigen gab es dann noch eine detaillierte Einweisung in die Benutzung der automatischen Rettungsfallschirme und der Fluginstrumente. Jetzt konnte es endlich losgehen trotz noch stark bewölktem Himmel. Hinten sitzt dabei immer der Fluglehrer, vorne der Flugschüler bzw. „Schnupperer“. Alle Steuerelemente wie Steuerknüppel, Pedale, Bremsklappenhebel und Ausklinkknopf sind doppelt vorhanden, so kann das Flugzeug von hinten ebenso gut und sicher wie von vorne gesteuert werden.

In der Zwischenzeit war der Motor der Husky auch warmgelaufen und die Maschine rollte zum ersten Schlepp vor das Segelflugzeug. Helfer Michael Merzhäuser zog das Schleppseil vom Heck der Schleppmaschine zum Segler, klinkte es ein und gab nach einer Ausklinkprobe den Start frei. Langsam rollte die Husky an, bis das Seil straff war. Ein Helfer lief noch einige Meter an der Tragfläche mit, aber schon war das Flugzeug so schnell, dass es aerodynamisch gesteuert werden konnte. Während des nur wenige Minuten dauernden Schlepps auf 600 Meter über dem Platz konnten die Pilotenanwärter schon mal an den Steuerelementen „mitfühlen“, wie der Fluglehrer die Maschine exakt hinter der Husky hielt. Ein kurzer Zug am gelben Ausklinkknopf, zweimaliges „Nachklinken“, ein leichter Ruck, und schon ließ das bis dahin starke Rauschen nach, der Segler drehte nach rechts weg, die Husky tauchte nach links zu Anflug und Landung ab.

Jetzt waren die Flugschüler gefragt: Nach Anweisung der Fluglehrer versuchten sie, den großen Segler mit Steuerknüppel und Fußpedalen gerade zu halten, nicht zu schnell oder zu langsam zu fliegen und die Richtung zu halten. Nach einigen schweißtreibenden Minuten stellten sich erste Erfolge ein und der Segler flog sauber und mit gleichmäßiger Geschwindigkeit geradeaus. Das gab Zeit für einen Blick nach unten, wo die Welt auf Spielzeuggröße geschrumpft schien. Alle gewohnten Landmarken waren nicht mehr erkennbar, man musste sich erstmal neue Orientierungspunkte suchen und hatte voll damit zu tun, den Flugplatz wiederzufinden, obwohl er nur etwa einen Kilometer entfernt war. Auch das Einleiten des Kreisflugs ohne zu schnell oder zu langsam zu werden, verlangte den Piloten auf Probe ebenso viel ab wie der stationäre Kreisflug, sobald man das Zentrum des Aufwinds gefunden hatte. Aber dann ging es aufwärts wie im Fahrstuhl, das „erhebende“ Gefühl, ohne Motor mit dem immerhin 380 Kilogramm schweren Doppelsitzer plus Pilotengewicht zu steigen, wird keiner vergessen. So vergingen 20 bis 30 Minuten wortwörtlich wie im Flug, während unten die anderen Aspiranten sehnsüchtig darauf warteten, dass „ihr“ Flieger wieder landete. Das geschah dann sanft und zielgenau mit Hilfe des Fluglehrers unter Einsatz der Bremsklappen und der Boden hatte die „Piloten auf Probe“ wieder. Beim Zurückschieben der Maschine zum Startpunkt, zusammen mit den anderen Flugschülern und Mitgliedern des Vereins, die kräftig mit anpackten, konnte man das Erlebnis erstmal verdauen.

Schon gingen die nächsten Flüge hinter der Husky in die Luft, alle konnten an diesem Tag mindestens zwei Flüge machen, den letzten Flug konnte man dann am Sonntag absolvieren. Da war es wärmer und die Aufwinde waren besser und stärker, sodass jeder „Schnupperpilot“ auch mindestens einen Flug zwischen 40 und 60 Minuten machen konnte. Die Erfahrungen des ersten Tages kamen den Piloten zugute und so langsam bekamen sie ein Gefühl dafür, dass es eigentlich doch nicht so schwierig ist, den großen Vogel so zu steuern, wie man es möchte, ohne dass er zu viel Eigenleben entfaltet. Die Begeisterung war bei allen dementsprechend groß und jetzt stellte sich die Frage, ob die Segelflugausbildung weitergeführt, Stichworte Zeitaufwand und Kosten. Das Erlebnis Segelfliegen geht eben kostengünstig nur im Team.

Ein Teilnehmer fasste das so zusammen: „Die Welt da oben ist eine andere und eine, die mir gefällt!“ Das ließ dann auch die Fluglehrer, die ebenso wie Schlepppiloten und Helfer allesamt rein ehrenamtlich tätig sind, zufrieden sein, zwar hundemüde, da sie parallel auch die „alten“ Flugschüler in die Luft brachten, aber sie hatten in vorderster Linie dafür gesorgt, dass 13 Menschen ein beeindruckendes glückliches Wochenende verbringen durften. Und der SFC ist sicher, dass sich einige statt mit Corona mit dem Fliegervirus infiziert haben und an dieser „Krankheit“ noch länger kurieren werden. Quelle: ‚AK-Kurier‚.

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