Maximaler Höhenruder-Ausschlag verunmöglicht

Der Pilot und der Fluglehrer starteten am 21. September 2019 mit dem Segelflugzeug Duo Discus, eingetragen als HB-3411, vom Regionalflugplatz Bern-Belp (LSZB) zu einem Platzeinweisungsflug 3). Der einzuweisende, fliegende Pilot, der selber eine Berechtigung als Fluglehrer innehatte, sass dabei auf dem hinteren Sitz, der überwachende Fluglehrer auf dem vorderen Sitz.

Nach einem ereignislosen Flug hatte der Pilot beim Ausschweben (flare) den Eindruck, dass sich das Flugzeug kopflastig anfühlte, als ob sich der Schwerpunkt des Flugzeuges zu weit vorne befände. Ohne Kontrollschwierigkeiten zu bekunden, setzte der Pilot das Flugzeug gut spürbar auf der Graspiste auf. Als der Fluglehrer nachfragte, warum er das Abflachen vor dem Aufsetzen nicht etwas stärker habe durchführen wollen, gab der Pilot zu verstehen, dass er das Höhensteuer vor dem Aufsetzen bis zum Anschlag durchgezogen habe, wobei sich dieser gefühlsmässig an der üblichen Stelle zu befinden schien. Aufgrund der vorgängig überprüften Schwerpunktlage führte der Pilot die gut spürbare Landung auf die bei der HB-3411 vorhandenen Hinterkantenklappen 4) zurück, über die der von ihm üblicherweise geflogene Duo Discus seiner Fluggruppe nicht verfügt. Die HB-3411 wurde nach der Landung an einen weiteren Piloten übergeben, der den zweiten Flug an diesem Tag durchführte. Der Start und Schleppflug erfolgten ereignislos. Nach dem Klinken stellte der Pilot ebenfalls eine scheinbare Kopflastigkeit der HB-3411 fest und bemerkte, dass sich die Flugzeugnase im Kurvenflug trotz voll gezogenem Höhensteuer nicht horizontal halten liess. Er beendete seinen Flug und landete ohne weitere Probleme in Bern-Belp.

Feststellungen
Eine Nachberechnung zeigte, dass sich der Schwerpunkt im normalen Bereich befand. Eine Messung an den Höhenruderausschlägen ergab, dass das Höhenruder nach oben deutlich zu wenig Ausschlag hatte. Nach dem Entfernen der vorderen Sitzschale fand sich eine Bride mit einem Ferritkern, die das Höhensteuergestänge behinderte und den vollen Ausschlag beim Durchziehen des Höhensteuers verunmöglichte.

Gefundene Bride (rote Ellipse), die das Höhensteuergestänge teilweise blockierte

Analyse und Schlussfolgerungen
Woher diese Bride stammte, beziehungsweise wo sie befestigt sein sollte, konnte nicht rekonstruiert werden. Denkbar ist, dass sie bei Wartungsarbeiten versehentlich in den Rumpfbereich unter die Sitzwanne fiel und im Lauf der Zeit oder während des Fluges in die Position rutschte, in der sie das Gestänge der Höhenruderansteuerung behinderte. Üblicherweise werden bereits bei der Montage des Segelflugzeuges und im Rahmen der Vorflugkontrolle die Sicherungen der Ruderanschlüsse sowie die Gängigkeit der Steuerung überprüft. Die Ausschläge der Steuerflächen werden dabei nicht vermessen. Vor dem Start wird mittels der „Checkliste vor dem Start“ (check before departure) abermals überprüft, ob die Steuer unbehindert bis an ihren mechanischen Anschlag geführt werden können. Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass sich anhand einer rein visuellen oder haptischen Überprüfung der Steuerung Einschränkungen der maximal möglichen Ruderausschläge kaum erkennen lassen. Ausserdem lässt sich nicht ausschliessen, dass lose Gegenstände oder Fremdkörper im Verlauf des Fluges aufgrund von Vibrationen oder Turbulenzen in eine Position rutschen, in der eine Ansteuerung der Ruderflächen behindert wird. Letzteres kann nur durch eine fortwährende Überprüfung auf Fremdkörper, insbesondere nach Unterhaltsarbeiten, verhindert werden. In der Vergangenheit führten blockierte Flugsteuerungen immer wieder zu einer eingeschränkten Steuerführung bis hin zum Kontrollverlust (vgl. Schlussbericht Nr. 2056 und Schlussbericht Nr. 2069). Nach Wartungsarbeiten sowie vor Antritt des Fluges kommt daher einer Überprüfung nach losen Gegenständen oder Fremdkörpern eine grosse Bedeutung zu.Nach den Abklärungen im Anschluss an den zweiten Flug liess sich auch erklären, warum die Landung des Piloten nach dem Platzeinweisungsflug trotz des voll bis zum vermeintlichen Anschlag durchgezogenem Höhensteuers etwas brüsker ausfiel, da ihm aufgrund der Bride nicht die maximal möglichen Ruderausschläge zur Verfügung standen. Es ist daher nachvollziehbar, dass dieser versteckte Hinweis nach der ersten Landung noch nicht zum Anlass genommen wurde, die Höhenruderausschläge zu vermessen. Quelle: ‚Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST‚. Flugaufnahme: ‚Martin Oertle auf flickr‚.

Fussnoten:
3) Dabei handelt es sich um einen Einweisungsflug zum Kennenlernen der Flugplatzumgebung aus der Luft.
4) Das Segelflugzeugmuster Duo Discus wurde ab der Werknummer 473 mit sogenannten Hinterkantenklappen ausgestattet, die mit den Bremsklappen gekoppelt sind. Beim Ausfahren der Bremsklappen werden die Hinterkantenklappen gleichzeitig nach unten ausgeschlagen. Dadurch kann ein Landeanflug steiler geflogen werden und das Segelflugzeug kann mit geringerer Geschwindigkeit am Boden aufgesetzt werden.

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