Flugverlauf
Um etwa 15:25 Uhr des 18. September 2021 startete der Pilot alleine an Bord mit dem als N559SG eingetragenen Motorflugzeug Rockwell 112 «Commander» von der Piste 30 des Flugplatzes Bad Ragaz (LSZE). Er flog dem Walensee entlang in Richtung Weesen. Kurz nach Weesen nahm der Pilot auf einer Druckhöhe von 4400 ft QNH1 plötzlich Vibrationen wahr (vgl. Abbildung 1). Er überprüfte die Motorinstrumente, deren Werte unauffällig waren, und setzte den Flug zunächst fort. Der Pilot stellte den Treibstoff-Gemischhebel (mixture) für ein fettes Gemisch nach vorne (full rich) und schaltete die elektrische Treibstoffpumpe ein. Er stellte fest, dass der Motor weiterhin Leistung abgab, aber rauh lief und rumpelte. Er reduzierte die Motorleistung etwas. Er befürchtete, dass sich die Situation verschlimmern könnte und hielt Ausschau nach geeigneten Landemöglichkeiten. Er entschloss sich zu einer vorsorglichen Landung.

Als Landeort wählte der Pilot eine Wiese in der Linthebene, die er zu seiner Linken entdeckt hatte. Er reduzierte die Motorleistung und konfigurierte das Flugzeug für die Landung. Um etwa 15:50 Uhr setzte er auf. Die Landung verlief ohne Schaden. Nach der Landung war festzustellen, dass die Unterseite des Flugzeugrumpfes über die ganze Länge stark ölverschmiert war und aus der unteren Motorverschalung Motorenöl tropfte.
Geschichte des Flugzeuges
Die Rockwell 112 war seit 1976 als HB-NCK im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragen. Ab 2007 war der Pilot Eigentümer und Halter des Flugzeuges. Im Jahr 2014 stellte er beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) den Antrag zur Überschreitung der vom Motorenhersteller empfohlenen Betriebszeit bis zu einer Grundüberholung (Time between Overhaul – TBO) für den seit Anbeginn installierten Motor des Typs Lycoming IO-360.
Das BAZL lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 wie folgt ab:
«Da Ihr Triebwerk bereits seit 39 Jahren installiert ist und während dieser Zeit kein Overhaul oder eine Kontrolldemontage stattgefunden hat, müssen wir Ihr Gesuch leider ablehnen.»
Am 13. März 2015 wurde das Flugzeug aus dem schweizerischen Luftfahrzeugregister gelöscht und kurz darauf als N559SG im US-amerikanischen Register eingetragen. Am Tag des Zwischenfalls war der Motor 46jährig und wies 2’059 Betriebsstunden auf, dies bei einer Herstellerempfehlung von zwölf Jahren bzw. 2’000 Stunden. In dieser Zeit wurde weder eine Grundüberholung noch eine Kontrolldemontage durchgeführt.
Instandhaltungsarbeiten
Am 25. Mai 2001, also mehr als 20 Jahre vor dem schweren Vorfall, wurde der Motor bei 1089:40 Betriebsstunden im Rahmen einer 100-h-Inspektion auf seinen Zustand geprüft. Im Instandhaltungsnachweis wurde dazu Folgendes festgehalten: «Hiermit wird bescheinigt, dass der Motor gemäss TM-W 15.010-91 untersucht wurde und keine den Betrieb beeinflussenden Korrosions- und Alterungsschäden aufweist». Seither wurden keine weiteren Sonderinspektionen mehr für die Verlängerung der TBO bescheinigt. Die letzten Instandhaltungsarbeiten vor dem schweren Vorfall wurden im Rahmen einer 100-h/Jahresinspektion am 25. März 2021 bei 2037 Betriebsstunden bescheinigt.
Befunde am Motor
Am Zylinder #1 war der Auspuff-Flansch vom Auspuffrohr abgetrennt und ein grösseres Segment davon ausgebrochen; das Ansaugrohr war lose und beidseitig beschädigt. Der dazu führende Schädigungsprozess dürfte über längere Zeit erfolgt sein. Des Weiteren war ein Stehbolzen gebrochen und das Motorgehäuse im Bereich des Zylinders ausgebrochen.
Angaben von Behörden und Herstellern
Das BAZL gab an, dass es über keine Handhabe verfüge, wenn ein US-amerikanisch immatrikuliertes Luftfahrzeug in der Schweiz stationiert sei. Das System der FAA unterscheide sich von demjenigen der EASA, da die FAR Part 916 deutlich weniger restriktiv ausgelegt seien. Das BAZL habe zwar keine direkte Einflussmöglichkeit, verfüge jedoch über einen engen Kontakt zur FAA und könne beim FAA-Vertreter in Brüssel intervenieren. Die amerikanische Flugaufsichtsbehörde (Federal Aviation Authority – FAA) äusserte sich auf Anfrage nicht zu Handhabung betreffend Überschreitung der vom Motorenhersteller empfohlenen TBO.
Angaben des Motorenherstellers Lycoming Engines
Der Motorenhersteller Lycoming Engines gab an, dass die in der Service Instruction No. 1009 definierten Betriebszeiten eines Motors bis zu einer Grundüberholung als Empfehlungen zu verstehen seien. Er habe keine Möglichkeit, eine Grundüberholung nach Ablauf der TBO als obligatorisch zu erklären.
Technische Aspekte
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Motorproblemen aufgrund von Materialermüdung, Korrosion oder Verschleiss steigt mit zunehmendem Alter eines Motors. Der Motorenhersteller empfiehlt deshalb eine Grundüberholung nach 12 Jahren. Je nach Betriebsart und Einsatzort kann sich ein Motor jedoch auch darüber hinaus noch in gutem Zustand befinden. Um dies festzustellen, sind aber spezielle Kontrollarbeiten, sogenannte Sonderinspektionen, notwendig. Da mit Sonderinspektionen nicht das ganze Innere eines Motors überprüft werden kann und gerade Materialermüdung kaum zu erkennen ist, sind Grundüberholungen von Motoren dennoch unumgänglich. Die vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) gesetzte Limite von 36 Jahren trug diesem Umstand Rechnung. Trotzdem wurde der Motor bis zum ablehnenden Entscheid des BAZL während 39 Jahren betrieben, wovon die letzten 20 Jahre ohne Sonderinspektion.
Mit dem Wechsel des Registerstaates wurde es möglich, diese Auflage des BAZL für Grundüberholung zu umgehen. Auch nach diesem Wechsel wurden keine Sonder-Inspektionen oder vergleichbare Arbeiten ausgeführt. Bis zum Zeitpunkt des Zwischenfalls war der Motor seit 46 Jahren in Betrieb. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass der Bruch des Motorgehäuses auf Materialermüdung zurückzuführen ist.
Betriebliche Aspekte
Der Pilot stellte ungewöhnliche Vibrationen des Motors fest. Er ging davon aus, dass sich der Zustand des Motors schnell weiter verschlechtern könnte und entschied sich deshalb für eine vorsorgliche Landung (precautionary landing). Dieser Entscheid war sicherheitsbewusst und der Situation angemessen. Mit der Landung im Gelände ging er jedoch das Risiko eines Landeunfalls ein, das mit einer im selben Zeitrahmen möglichen Landung auf einem Flugplatz vermeidbar gewesen wäre.
Schlussfolgerungen
Technische Aspekte
- Ein grösserer Teil des Motorgehäuses beim Zylinder #1 war ausgebrochen.
- Die letzten Instandhaltungsarbeiten im Rahmen einer Jahresinspektion wurden am 25. März 2021 bei 2’037 Betriebsstunden bescheinigt.
- Der Motor wies zum Zeitpunkt des schweren Vorfalls 2059: 40 Betriebsstunden auf und war seit 46 Jahren in Betrieb. Während der gesamten Betriebszeit wurde der Motor weder einer Grundüberholung noch einer Kontrolldemontage unterzogen.
- Die einzige Sonderinspektion für eine Verlängerung der TBO von zwölf Jahren wurde im Jahr 2001 bescheinigt.
Verlauf des schweren Vorfalls
- Der Pilot startete von der Piste 30 des Flugplatzes Bad Ragaz.
- Nach rund 20 Minuten Flugzeit stellte der Pilot einen rauen Motorlauf und ein Rumpeln fest.
- Der Pilot führte eine vorsorgliche Landung im Gelände aus.
Rahmenbedingungen
- Das BAZL hatte eine Grundüberholung des Motors zur Auflage für einen Weiterbetrieb des Flugzeuges gemacht. Ein Wechsel des Registerstaates ermöglichte die Umgehung dieser Auflage.
Ursachen
Der schwere Vorfall, bei dem der Pilot infolge eines unrunden Motorlaufs eine vorsorgliche Landung im Gelände ausführte, ist auf einen alterungsbedingten Motorschaden zurückzuführen. Quelle / vollständiger Bericht: ‚SUST‚.
Nun die Empörung kann ich verstehen, wer nicht selbst die Kosten für ein Flugzeug trägt, dem fällt es leicht sich aufzuregen. Der Halter hat gesetzeskonform gehandelt. Und eine Sicherheitslandung unter diesen Bedingeungen bekommt auch nicht jeder hin.
Man sollte immer beide Seiten anhören, abwegen und dann rücksichtsvoll urteilen.
Nur so eine Meinung…
Als Flugschüler, bin ich ehrlich gesagt, absolut schockiert über den Inhalt dieses Artikels. Was soll man da noch zu sagen. Ich hoffe, dass dem Piloten die Lizenz entzogen wurde. Und weiterhin hoffe ich, dass ich niemals so jemandem beim Fliegen begegnen werde. Und dann noch diese Dreistigkeit, den Flieger umzumelden…….
Unbegreiflich, dass einem Piloten sein Leben offensichtlich so wenig wert ist, oder? Derart unbedarftes und unverantwortliches Verhalten lässt Zweifel zu, ob der Eigentümer noch die notwendige Eignung als Halter und Pilot mitbringt.