Der kommerzielle Erstflug der Lilium-Flugtaxis soll 2024 stattfinden. Zeitplan und Technologie sind ambitioniert – und nicht mehr alle Investoren ziehen mit. Passend zum Börsengang hat Lilium-Vorstandschef Daniel Wiegand noch einmal auf die große Vision hingewiesen: 2015 habe sich das Flugtaxi-Unternehmen daran gemacht, “ein Produkt zu entwickeln und ein Team aufzubauen, das die Art und Weise, wie sich die Welt bewegt, radikal verändern soll. Sechs Jahre und fünf Generationen von Technologie-Demonstrationsflugzeugen später sind wir diesem Ziel näher als zuvor.”
Seit diesem Mittwoch wird die Lilium-Aktie an der amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq gehandelt, nachdem das Unternehmen mit dem bereits dort notierten Akquisitionszweckunternehmen Qell fusioniert hat. Diese Zweckgesellschaften sind Mantelgesellschaften, die zunächst über einen Börsengang Kapital einsammeln, das sie anschließend für die Übernahme eines vorher nicht fest bestimmten Unternehmens nutzen. 584 Millionen US-Dollar Bruttoerlös bringt die Transaktion, deutlich weniger als die erhofften rund 800 Millionen Dollar. Es ist weniger Geld geworden, weil zwei Drittel der Qell-Aktionäre von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, sich vorher auszahlen zu lassen.
Die Zurückhaltung ist keine Überraschung und spricht nicht unbedingt für Skepsis der Investoren gegenüber Lilium. Vielmehr hat der Boom der Zweckgesellschaften in den USA zuletzt merklich nachgelassen, viele Analysten halten die Firmen für überbewertet. Lilium ist in der Branche kein Einzelfall: Der Konkurrent Joby Aviation wollte durch eine ganz ähnliche Transaktion 1,6 Milliarden Dollar erlösen, kam aber nur auf rund eine Milliarde. Archer kommt auf knapp 860 Millionen, eingeplant waren 1,1 Milliarden. Auch bei Archer und Joby stiegen viele der Anleger aus. Der Börsengang der britischen Vertical Aerospace steht im Herbst an.
Alle vier wollen unterschiedlich konzipierte elektrische Flugtaxis auf den Markt bringen. Der Lilium-Jet ist mit sieben Sitzen der größte und soll mit rund 250 Kilometern Reichweite auch am weitesten fliegen können. Der kommerzielle Erstflug soll 2024 stattfinden. Lilium will die ersten Strecken in Deutschland und Florida anbieten. Sowohl der Zeitplan als auch die Technologie gelten als sehr ambitioniert. Luftfahrtbehörden müssen vor der Zulassung überzeugt werden, dass die Fluggeräte sicher sind. Eine Studie von Porsche Consulting verwies jüngst darauf, dass die soziale Akzeptanz in der Bevölkerung eine der großen Schwierigkeiten sein wird. Der Studie zufolge müssen Investoren in dem Sektor einen extrem langen Atem haben, bis sich ihre Einlagen lohnen.
Mit dem Börsengang von Lilium formiert sich auch der neue Verwaltungsrat. Das Gremium wird vom früheren Airbus-Chef Tom Enders geleitet. Unter anderem gehört ihm auch David Neeleman an, der unter anderem Azul, Jet Blue Airways und Breeze Airways gegründet hat, sowie der ehemalige Airbus-Vorstand und ILFC-Chef Henri Courpron. “Es wird kein einfacher Weg werden”, sagt Enders. “Aber wir haben die Technologie, das Team und die Ressourcen, die uns die Zuversicht geben, dass Lilium es schaffen wird.” Zum Börsenschluss lag die Aktie von Lilium in New York 1,1 Prozent im Minus bei 9,31 Dollar. Quelle: ‘Süddeutsche Zeitung‘.