Lieferdrohnen im Zwielicht

Was in der Lieferlogistik als Ei des Kolumbus gilt, entlarvt eine neue Studie in gewissen Fällen als Energieverschwendung. Leichte Elektro-Nutzfahrzeuge rücken wieder ins Zentrum. Post von der Propellerdrohne, so soll die Zustell-Zukunft dem steigenden Verkehrsaufkommen am Boden aus der Luft ein Schnippchen schlagen. Paketlieferdienste sind während der Corona-Krise aufgrund von «Bleibt zu Hause»-Losungen und geschlossenen Detailhandelsgeschäften zur beliebten Variante fürs Einkaufen geworden. Online bestellen, am nächsten Tag oder gar gleichentags per Post oder Paketdienst vor die gute Stube gebracht, das ist mittlerweile schon fast Normalität. Jetzt, wo die ersten Lockerungen im Vorbeuge-Regime Realität sind, wird zwar weiter kräftig online bestellt, aber das Verkehrsaufkommen ist bereits wieder deutlich gestiegen. Doch was passiert, wenn der Posttransporter oder etwa der schokoladenbraune Van mit der goldenen Aufschrift, den Laderaum bis zum Rand mit Waren zur Einzelzustellung gefüllt, im schnöden Stadtverkehr steckenbleibt? Die Waren müssen in Rekordzeit zum Kunden kommen, und die Lager sind reichlich mit Nachschub ausgestattet. Hinzu kommt der Druck bei der Lieferung von eiligen Waren, etwa Medikamenten oder anderen Materialien lebenswichtiger Dringlichkeit. Das Ei des Kolumbus ist die Lieferdrohne, ein Multikopter-Fluggerät, das sich ferngesteuert oder sogar autonom durch die Luft zum Zielort bewegt. In mehreren Metern Höhe trotzt die Drohne den verstopften Strassen und fliegt über alle Hindernisse hinweg sicher zum Ziel. Die Schweizerische Post begann 2017 in Lugano und Zürich, durch verschiedene Tests mit Lieferdrohnen ermutigt, mit der Lieferung von Blutkonserven, Medikamenten und Gewebeproben zwischen Spitälern und Labors. Die Drohnen lieferte der Hersteller Matternet aus Mountain View in Kalifornien, der eine Maximallast von zwei Kilogramm pro Lieferpaket zusicherte. Damit liess sich bis zu 20 Kilometer weit und mit bis zu 70 km/h fliegen. So weit, so gut, doch kam es 2019 in Zürich zu zwei Abstürzen von Drohnen der Post, bei denen alle Sicherheitsvorkehrungen wie Warnsirene und Fallschirm versagten. Die eine stürzte mit Blutkonserven in den Zürichsee, die andere in ein Waldstück, wenige Meter von spielenden Kindern entfernt. Die Verantwortlichen stoppten das Lieferexperiment, doch seit Anfang 2020 sind die Drohnen des Typs Matternet M2 V9 wieder unterwegs, nachdem die Multikopter modifiziert worden sind, damit sie insbesondere bei starkem Wind besser fliegen können. In den USA gibt es ebenfalls seit einiger Zeit Lieferdrohnen, etwa beim grössten Versandhändler Amazon sowie bei DHL und Google. Sollten die Drohnenlieferungen Schule machen und sollten sich immer mehr Händler zum Versand von Waren aller Art und jeglicher Grösse entschliessen, entsteht ein weiteres Sicherheitsproblem. Der Luftraum ist nicht so einfach zu regeln wie der Strassenverkehr. Ampeln gibt es nicht, immerhin aber Flugschneisen. Und doch kommt es in der Fliegerei mit noch vor der Corona-Krise kräftig zunehmenden Flugfrequenzen immer wieder zu gefährlichen Annäherungen zweier Fluggeräte. Mittlerweile gibt es vom Bundesamt für Zivilluftfahrt detaillierte Regelungen, die auch für Lieferdrohnen gelten. Dabei wird unterschieden zwischen Fluggeräten mit einem Gewicht von bis zu 30 Kilogramm sowie solchen darüber, die einer Bewilligungspflicht unterstehen. Entsprechende Einschränkungen für Start und Landung (nicht auf öffentlichem Gebiet), Flughöhe und Distanz zu Flugplätzen sind festgeschrieben. Was der Bund jedoch bisher nicht geregelt hat, ist das Thema Energieverbrauch bei Drohnen. Für den Strassenverkehr gibt es jede Menge Vorschriften zur Zulassung von Fahrzeugen und entsprechende Obergrenzen bei den lokalen Emissionen. Heikel wird es bei der Bewertung ganzer Energiebilanzen in der Betrachtung von der Entstehung des Fahrzeugs bis zu seiner Entsorgung. Quelle: ‚NZZ, Neue Zürcher Zeitung‘.

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