Kurvenreiche Fahrt zum neuen ‘Landewiesen’-Produkt

Was steckt hinter dem neuen, digitalen und gedruckten Katalog alpiner Landemöglichkeiten? Wie kann man in unseren digitalen Zeiten ein Produkt gestalten, das die Schnelligkeit und Übersichtlichkeit eines papierenen Nachschlagewerkes mit didaktisch wertvollen und umfangreichen digitalen Inhalten kombiniert? Wie reist man trotz schärfster COVID-Einschränkungen nach Österreich und Italien? Wie bekommt man seine Drohne wieder aus den elektronischen Abwehrmassnahmen eines Gefängnisses heraus? Warum ist es sinnvoller, alpine Landewiesen in zehn Metern Grund zu überfliegen als sie aus einer Einzelperspektive am Boden zu Fuss zu erkunden? Der Weg zum neuen ‘Landewiesen-Print- und Digitalprodukt war weiter, als «nur» 4’000 Strassenkilometer im Auto zurückzulegen. Er war spannend, lehrreich, herausfordernd, nicht immer fehlerfrei – und ich habe dabei ein viertes Mal von Grund auf Fliegen gelernt.

Wie ihre Besitzer interessieren sich auch diese Bewohnerinnen eines Bauerngutes für den seltsamen Besucher, der mit Leiter, Koffer und Rucksack bewaffnet durch ihr Mittagessen stapft.

Knapp dem Gefängnis entronnen

Anfangs fliesst das Adrenalin gelegentlich in Strömen. Als flächenfliegender Senior sind die Schwebeflug-Eigenschaften einer modernen Multikopter-Kameradrohne, die über eine mit Funktionen gut bepackte Fernbedienung und ein im grellen Sonnenlicht kaum erkennbares Mobilephone-Mäusekino-Display gesteuert wird, unbekanntes Neuland. Mehr als einmal rettet mich anfangs die optische Hinderniserkennung vor einem Totalverlust meiner neuen Drohne. Rückwärts gegen ein Hindernis fliegen, ist ebenfalls kein gutes Konzept. Denn damit übertölpelt man die Hinderniserkennung. Dass Landewiesen sich aus der Luft gleichen, ist auch nicht neu. Nur hilft diese späte Erkenntnis nix, wenn auf dem Display der Ausgangsort nicht mehr erkennbar ist und das kleine Ding hinter einer Baumreihe umhersurrt. Mehr als einmal rettet mich also auch der ‘bring-me-home-button’ aus aussichtsloser Lage – etwa im elektronischen Schutzschirm der ‘Justizvollzugsanstalt Realta’ im Domleschg. Da ich bisher nie mit Gefängnissen zu tun hatte, wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, dass solche Einrichtungen nicht nur gegen Ausbrecher, sondern auch gegen Eindringlinge von aussen geschützt werden. Gerettet hat mich am Ende der verzweifelte Befehl, (aus der elektronischen Schutzzone) zu steigen. Ich habe mir danach längere Zeit überlegt, mit welcher Begründung ich die Drohne wieder aus dem Gefängnis herausgeholt hätte, ohne selbst dort eintreten zu müssen.

Näher ist sicherer

Die ersten Aufnahmen im milden Weihnachtswetter 2019 sind zu Beginn als Neo-Piloten-Aufnahmen erkennbar. Wenn die Drohnen-Kamera überhaupt etwas aufzeichnet. Man kann sie ja elegant durch die Luft bewegen, nur, wenn die Kamera aus- statt eingeschaltet ist, weil der Operateur Kamera- mit Foto-Funktion verwechselt, bleibt am Ende zuhause der PC-Bildschirm trotzdem dunkel. Zum Glück habe ich mir anfangs die etwas näher gelegenen Landewiesen im Zürcher Oberland und im Bündner Rheintal als Ziel vorgenommen. Mit dem Hintergedanken, dass ich auf späteren Fahrten zu den weiter entfernten Landewiesen im Engadin oder in der Surselva sowieso irgendwann nochmals vorbeikomme und fehlerhafte oder unzureichende Aufnahmen korrigieren kann. Das war auch nötig. Irgendwann habe ich auch herausgefunden, warum die japanischen Jagdflieger immer aus der Sonne kommend angegriffen haben. Man sieht schlicht nix, wenn man in die Sonne blickt. Das trifft auch auf Kameras zu. Nur klappt es nicht immer, Sonne, Landewiese und mögliche Anflüge in eine sinnvolle Linie zu bringen. Was sich auch mal in schimmernden Gegenlicht-Effekten niederschlug.

Unschärfen

Dass die weitest entfernte Landewiese abends bei der Bildauswertung auch nach mehrmaligem Scharfstellen nur erkennbar ist, als hätte der Betrachter viel zu viel Alkohol getrunken, trägt auf einer dicht geplanten Reise nach Österreich nicht gerade zu guter Stimmung bei. Ich kann deshalb heute sagen, den Flexenpass und das Lechtal präzise zu kennen. Schöne Gegend. Und die Landewiese in Holzgau ist durchaus empfehlenswert. Eine meiner Favoritinnen!

So geht Essen im Restaurant während der Corona-Epidemie: Vorarlberger ‘Spezialitäten’ aus dem Spar-Supermarkt und als einziger Gast einsam verspiesen auf einem kleinen Hotelzimmer-Balkon.

Spionieren Sie?

Beim vierten Anhalten am Rotlicht beim Holzgauer Dorfeingang hat mich ein Anwohner, vor dessen Haus ich mit meinem Glarner Opeli anhalten musste, spontan angesprochen. Was ich denn hier als Ausländer während einer Pandemie mit meinem seltsamen Nummernschild eigentlich so täte? Ob ich spioniere? Ich sei ihm schon gestern mit meiner grossen Kamera und dem seltsamen Flugdings aufgefallen! Auch hier erkläre ich geduldig meine Absicht. Das mache ich zwischen Weihnachten und Pfingsten auf nahezu jedem Bauernhof. Die Landwirte sind besonders neugierig, wenn man auf ihren Hof fährt. Die Leiter auf meinen Schultern ist ihnen immer besonders suspekt.

Der «Besamungstechniker mit Leiter» unterwegs im Urserental, in dem wenige Tage zuvor gerade noch rechtzeitig für die Aufnahmen die letzten Schneeflecken weggeschmolzen sind.

Und Ihre Leiter?

In Zignau [Tsi Niau] – nicht zu verwechseln mit einem nordvietnamesischen Dorf mit ähnlicher Phonetik – habe ich kaum den Zündschlüssel gedreht und die eben erwähnte Leiter ausgepackt, da stehen schon (grosser) Hund und (kleiner) Meister einen Meter hinter mir. Hmmh – das ist leicht unter meiner üblichen ‘Flucht-Distanz’. Die leicht angespannte Lage mit dem Gebiss vor meinem Gesicht entschärft sich erst mit dem zittrigen Hervorkramen des ‘Landewiesen’-Buches von 2012. Und der Erklärung, dass ich meine Leiter eben bräuchte, um eine bessere Übersicht auf die Landewiese zu gewinnen. Schon 1.5 Meter Höhe machen für die Qualität der Bildergalerie am Boden einen Unterschied.

Ich bin auch ein Besamungs-Techniker

Beim einen oder anderen Landwirt kann ich verhindern, dass die Kühe zur Besamung bereitgestellt werden. Mein schlagfester, silberner Geheimkoffer mit der Drohne drin hat durchaus Ähnlichkeit mit dem wertvollen Reagenzglas-Transportkoffer von SwissGenetics. Auch diese Organisation fährt ältere Modelle (aber von Subaru). Wie auch immer: mit der Leiter, dem silbernen Koffer und einem Kamera-Rucksack falle ich auf einsamen Bauernhöfen natürlich ebenso auf wie auf stark besuchten Sonntags-Spazierwegen etwa im frühlingshaften Emmental.

Dees poaasst!

Unvergesslich wird mir die Reise nach Österreich und Italien auf dem Höhepunkt der Corona-Krise bleiben. Wegen des Einreiseverbotes gerät mein fein austarierter Zeitplan für die Fertigstellung des Buches durcheinander. Da hilft nur, Schicht um Schicht der Grenzbeamten, Ministerien und Zollverwaltungen in Bern, Feldkirch und am Ende Wien abzutragen. Hartnäckigkeit gewinnt! Ich erhalte nach dem xten Versuch, eine für alle Zollbeamten nachvollziehbare Bewilligung zu bekommen, vom österreichischen Bundesministerium für Inneres eine Anleitung, wie ich die Grenze überschreiten darf. Zum Glück habe ich medizinisches Fachpersonal in der Familie. Meine Tochter organisiert mir in der Arztpraxis kurzfristig einen Termin für einen COVID-19-Test. Der darf bei Ein- und Ausreise nicht älter als vier Tage sein. Tests sind zu der Zeit Mangelware und wären nur bei Ansteckungs-Verdachtsfällen erlaubt. Mit dem epidemiologischen Zwischenzeugnis und verschiedenen einschlägigen eMails bewaffnet, nähere ich mich dann eines Morgens zaghaft der Zollstelle in Tisis. Dass ich weitherum der einzige Besucher bin, ist wenig erstaunlich. Entsprechend genau wollen die frierenden Beamten wissen, was mich denn so dringend in ihr Land ziehe. Dann halte ich meine ausgedruckten eMails und das epidemiologisch einwandfreie Zeugnis aus dem Auto-Fenster. Dann geschieht Erstaunliches. Beide Zollbeamten grüssen militärisch – einem entwischt noch die Bemerkung ‘Dees poaasst’! und ich darf mit den besten Wünschen und ‘Viel Vergnügen beim Filmen’ Österreich erobern. Dasselbe widerfährt mir einen Tag später bei der Wieder-Einreise aus Italien an der Grenzstation am Reschenpass. Auch dort sind die vermummten Beamten von den Wiener Stempeln und Papieren beeindruckt und lassen mich anstandslos passieren. Sachen gibt’s!

Günstigste Anti-Viren-Massnahme

Es gibt sowieso Dinge, die gibt’s nur in Österreich. Seltsames beobachte ich da nämlich hinter meiner vorschriftsmässig montierten Viren-Schutzmaske bei einem Tankhalt im Klostertal. Da versucht ein anderer Gast, sein eben getanktes Benzin zu bezahlen. Ohne Maske. Worauf ihn die kurz angebundene Angestellte barsch zurechtweist, dass sie ihn ohne Schutzmaske gar nicht bedienen dürfe. «I hoab oba koane!» tönt es entrüstet von der anderen Seite der improvisierten Plexi-Scheibe. «No, dann müssen’s oan Euro mehr zoalen» – kommt darauf von der Kontrahentin zurück. Eine Maske hat der Schutzbedürftige darauf zwar nicht erhalten, aber er konnte trotzdem zur allseitigen Zufriedenheit seinen Handel abschliessen. Der zusätzliche Euro hat offenbar nachhaltig gegen Viren geholfen.

Neopren-Sandwich

Noch heute habe ich bei der Erinnerung an diese Episode einen seltsamen Geruch im Gaumen. Weil ich nicht wie gewohnt in einen Gasthof einkehren kann, weil ja alle geschlossen sind, ernähre ich mich auf der Tour zu 20 Vorarlberger und Tiroler Landewiesen ausschliesslich von Sandwiches aller Baumuster. Die schmecken nicht alle gleich gut. Jenes aus der Klostertaler Ein-Euro-Masken-Raststätte riecht etwas unüblich nach Neopren und Gummi. Und zwar noch Stunden, nachdem ich es verspiesen habe. Und das vor und nach der ersten Fahrt über den gerade eben von der Wintersperre geöffneten Flexenpass. Man braucht auch mal Glück. Sonst hätte meine vierfache Fahrt nach Holzgau im Lechtal womöglich auch noch jedes Mal durch den Bregenzer Wald geführt. Das wären ‘nur’ 90 zusätzliche Kilometer gewesen – pro Fahrt!

Eine der wenigen, freien Wiesenflächen im oberen Vinschgau. Leider sind die darin verbauten Sprinkler-Eisenstangen zur Bewässerung der Wiesen ebenso schlecht erkennbar wie die Wassergräben quer zum Hang, in denen das eingebrachte Wasser wieder durch tiefe Gräben abfliesst.

Unlandbares

In meinem Fliegerleben habe ich viermal fliegen gelernt. Zuerst als Flugschüler bei Peter Bregg das Segel- und Motorfliegen. Darauf mit Hanspeter Elmer das Gletscherfliegen. Letztlich im Fluglehrerkurs bei Willi Ritschard sel. nochmals richtig Segelfliegen. Und nun habe ich unerwarteterweise mit der Drohne nochmals aussenlanden gelernt. Ich habe mir danach vorgenommen, beim Streckenfliegen vorsichtiger vorzugehen. Denn wenn man sieht, wo man am Ende bei einem gescheiterten Streckenflug möglicherweise notlanden muss, kriegt man einen Schrecken.

Im oberen Vinschgau bin ich trotz vorbereiteter Google-Earth-Bilder und Swisstopo-Karten drei Stunden durch den ganzen, während der Corona-Quarantäne-Zeit gespenstisch-menschenleeren Talkessel geirrt. Die einzigen freien Wiesenflächen sind nahezu unlandbar. Schlimmer ist, dass man das selbst als Fussgänger kaum erkennen kann. Der Grund ist eine extensive Bewässerung der Wiesen (!). Weil deswegen das Gras meterhoch wächst, sind die darin verbauten Sprinkler-Anlagen auch aus fünf Metern Distanz nicht zu sehen. Geschweige denn aus 150 mAGL. Das ist nur der erste Teil der unangenehmen Wahrheit. Denn das eingebrachte Wasser muss aus den Äckern auch wieder abfliessen. Das erreicht man mit ca. 50 cm tiefen Wassergräben, die alle 50 Meter quer zum leicht geneigten Hang gegraben werden. D.h., im gesamten Vinschgau ist meines Erachtens bis hinunter nach Bolzano nur eine Bruchlandung möglich.

Marcheschloss

Landewiesen in der Nähe dicht besiedelter Räume sind ein besonderes Erlebnis. Im Falle von Hurden und Pfäffikon bin ich längere Zeit durch die millionenteuren Villenquartiere geirrt. Letztlich habe ich die eine, vernünftige Landewiese zwar gefunden, konnte sie aber nicht betreten. Sie liegt in einem Vogelschutzgebiet. Und damit da nicht jeder reintrampelt, ist sie eingezäunt und hat ein Schloss vorgehängt. Das Tor mit dem Schloss ist etwas kompliziert unter der Seedamm-Kanal-Autobrücke zu finden. Wer den Schlüssel besitzt, kann ich nicht herausfinden, aber das Land wird normal landwirtschaftlich genutzt. Also ein lösbares Problem, nachdem man eine Landung nahe am Sumpfgebiet am Zürichsee einwandfrei hinbekommen hat.

Was genau will ich mit ‘Landewiesen’ eigentlich?

Bei all den Abenteuern geht beinahe vergessen, was das Produkt ‘Landewiesen’ überhaupt kann. Die gedruckte Version ist der seit Jahren gewohnte Katalog. Einfach aktuell designt, mit neuen Wiesen, einer Anleitung zum Hanglanden und Hinweisen für das Handling von Eigenstartern – einem neuen ‘Risiko’ für Streckenflieger.

Virtuell aussenlanden

Ganz neu sind hingegen die 150 Drohnen-Videos und rund 1’000 Fotos vom Zustand der Landewiesen am Boden. Da sich ein Datenhaufen von zwei Terrabite nicht abdrucken lässt, sind diese Inhalte nur online verfügbar. Das kostet zwar ein wenig mehr, hilft aber als ideale mentale Vorbereitung auf Aussenlandungen oder als Training.

Ich behaupte, dass man wie im Traum gesteuert sicher aussenlandet, wenn man sich diese Videos anschaut. Ich behaupte auch, dass es lehrreicher ist, eine Wiese am Bildschirm in zehn Metern von vorn bis hinten und zurück zu überfliegen, statt sie vom Rand aus 1.60 bis 1.80 m (Augen-) Höhe zu besuchen. Vom ökologischen Unsinn, dass Hundertschaften von Piloten von Feld zu Feld mit dem Auto quer durch die Alpen pilgern, rede ich bewusst nicht, immerhin leben einige meiner besten Freunde vom Verkauf dieser Vehikel 😊. D.h. auch, dieses Produkt eignet sich hervorragend für Fluglehrer, die ihren Piloten das Aussenlanden sicher beibringen wollen.

Zu besichtigen und erhältlich ist Landewiesen hier.

In diesem Sinne wünsche ich allen Landewiesen-Benutzern von Herzen allzeit ‘happy landings’ – und „hebed Sorg“!

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