Kontrollverlust im Seitengleitflug

Ereignisse und Flugverlauf
Am Unfalltag wurde gegen 10:00 Uhr1 auf dem Flugplatz Essen/Mühlheim mit dem Segelflugbetrieb auf der Piste 24 begonnen. Es waren 2 für den Flugbetrieb eingeteilte Fluglehrer vor Ort, wobei ein Fluglehrer zunächst mit der Vorausbildung eines Fluglehreranwärters beschäftigt war. Danach sollte er dann die allein fliegenden Flugschüler beaufsichtigen. Nach Angaben dieses Fluglehrers war der später verunfallte Flugschüler zunächst als Windenfahrer tätig und bekam im Anschluss von ihm einen Flugauftrag für das Segelflugzeug ASK 18.

Nach den Angaben des Fluglehrers bestand bei den Flügen Sprechfunkverbindung zwischen dem Segelflugzeug und ihm bzw. der Startstelle. Der Flugschüler führte in der Zeit von 13:47 Uhr bis 14:28 Uhr 3 Flüge mit insgesamt 15 Minuten Flugzeit durch. Nach den Angaben des Fluglehrers verliefen diese Flüge unauffällig. Bei jedem der 3 Flüge wurde jeweils im Endanflug ein Seitengleitflug (Slip) durchgeführt. Dabei waren gelegentlich Korrekturen notwendig, jedoch seien die Anflüge nach Auffassung des Fluglehrers sicher durchgeführt worden. Er wies den Flugschüler darauf hin, dass beim Ein- und Ausleiten des Slips die Nase des Segelflugzeuges nicht über den Horizont gehoben und nur so weit gezogen werden sollte, dass das Nickmoment beim Einleiten des Slips ausgeglichen wird. Weiter wies er den Flugschüler auf das Ein- und Ausleiten und das Unterlassen von Richtungswechsel beim Slip hin. Der vierte Start des Flugschülers erfolgte um 14:36 Uhr. Nach dem Start verließ der Fluglehrer die Startstelle. Der weitere Flugverlauf wurde vom zweiten Fluglehrer überwacht.

Nach Aussage des zweiten Fluglehrers hatte er den Flug beobachtet und gesehen, wie der Flugschüler im Gegenanflug die Position anflog. Er habe den Flug weiter bis in den Queranflug verfolgt. Die Flughöhe war an den entsprechenden Positionen der Platzrunde nach seiner Auffassung korrekt eingeteilt. Der Fluglehrer widmete dann seine Aufmerksamkeit einem weiteren an der Winde startenden Flugschüler. Als sich der Fluglehrer wieder der ASK 18 zuwandte, sah er das Segelflugzeug in geringer Höhe trudeln.

Mehrere Zeugen sahen, wie das Segelflugzeug in geringer Höhe aus dem Seitengleitflug heraus nach rechts abkippte und in einer trudelartigen Bewegung hinter Bäumen verschwand. Ein Zeuge gab an, gesehen zu haben wie mit dem Seitengleitflug im Endteil begonnen wurde und sich das Segelflugzeug in einem stabilen Seitengleitflug befand. Nach seiner Auffassung versuchte der Flugschüler eine Änderung des Seitengleitflugs, wobei sich beim Ausleiten die Flugzeugnase zu hoch befunden habe. Das Segelflugzeug prallte etwa um 14:46 Uhr auf einem Parkplatz ca. 400 m vor dem Flugplatz auf. Der Flugschüler wurde tödlich verletzt und das Segelflugzeug zerstört.

Beurteilung

  • Der Flugverlauf zeigte, dass der Flugschüler die Flugübung Seitengleitflug nicht sicher beherrschte. Das Segelflugzeug geriet beim Ausleiten aus dem Seitengleitflug in einen überzogenen Flugzustand. Ein Ausleiten und das Herstellen einer kontrollierten Fluglage gelang ihm nicht mehr. Der Ausbildungsnachweis des Flugschülers war in Teilen nicht nachvollziehbar ausgefüllt. Die Übung Seitengleitflug war vermerkt unter der Spalte:
  • Beginn/Datum Unterschrift mit 02.09.2018 ohne Unterschrift. In der Spalte Beherrscht/Datum Unterschrift befand sich die Unterschrift des Fluglehrers. Diese Art des Ausfüllens des Ausbildungsnachweises setzte sich im gesamten 2. Ausbildungsabschnitt fort. Im 1. Ausbildungsabschnitt wurde entsprechend den Vorgaben des Ausbildungsnachweises in den Spalten teilweise dokumentiert. Teilweise waren auch nur in der Spalte Beherrscht mit Datum und Namenszeichen die Übungen dokumentiert worden.

Die Aussage eines Zeugen, dass ein Wechsel des Seitengleitflugs durch den Flugschüler herbeigefügt wurde, obwohl ein stabiler Seitengleitflug vorlag, wurde von der BFU ebenfalls betrachtet. In beiden Unfallszenarien, Ausleiten bzw. Wechsel des Slips, ist der eingetretene überzogene Flugzustand als Unfallauslöser dominant. Nach Auffassung der BFU hätte bei der geringen Flugerfahrung des Flugschülers vor Erteilung eines Flugauftrages nach einer Flugpause von mehreren Tagen ein doppelsitziger Kontrollflug stattfinden müssen. Gerade bei Flugübungen, die im Landeanflug und damit in geringer Höhe über Grund stattfinden, sollten Flugübungen einsitzig nur geübt werden, wenn diese sicher beherrscht werden.

Schlussfolgerungen
Der Flugunfall ist auf einen Kontrollverlust beim Ausleiten aus dem Seitengleitflug zurückzuführen, bei der die verbliebene Höhe zu gering war, um eine kontrollierte Fluglage wiederherzustellen. Zum Unfall beigetragen hat die Erteilung eines Flugauftrages, ohne sich zuvor von den Fähigkeiten des Flugschülers ein umfangreiches Bild zu machen.

Sicherheitsempfehlungen
Die BFU hat auf die Herausgabe von Sicherheitsempfehlungen verzichtet, weil der Ausbildungsbetrieb Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat, die der BFU im Rahmen der Kommentierung mitgeteilt wurden.

Sicherheitsmaßnahmen
Der Landesausbildungsleiter besprach am Tag nach dem Ereignis den Flugunfall mit den betreffenden Fluglehrern und dem Vereinsvorstand. Die daraus resultierenden Informationen wurden im November 2018 auf der nächsten turnusmäßigen Besprechung des Gremiums der Bezirksfluglehrer mit dem Landes-Ausbildungsleiter besprochen.

  • Eine Honorarkraft für die Aufgabe der Sicherheitsarbeit im Landesverband wurde im November 2019 eingestellt. Im Februar 2020 wurden 4 Flugsimulatoren, die in den Vereinen zur Simulation von ungewöhnlichen Flugzuständen genutzt werden können, beschafft.
  • Auf dem vom Verband organisierten „Luftraumtag NRW“ wurden seit 2016 Flugsicherheitsthemen besprochen.
  • Die BFU verzichtet auf die Herausgabe von Sicherheitsempfehlungen und verweist auf bereits zuvor veröffentlichte Sicherheitsempfehlungen:
    Sicherheitsempfehlung zur Aufsicht, Führung und Methodik: 09/2014 und 01/2016 zum Bericht 3X-0104-12 sowie Empfehlung Nr.: 04/2009 zum Flugunfall 3X-156-08. Quelle/vollständiger Untersuchungsbericht: ‚BFU‚.

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