Keine Zeit für Anflug-Planung

Hergang
Der Pilot des einsitzigen Segelflugzeuges Discus-2b, eingetragen als HB-3281, plante am 1. August 2020 bei guten Segelflugbedingungen einen Streckenflug vom Flugplatz Saanen (LSGK) zum Flugplatz Schänis (LSZX). Nach dem Start in Saanen um 13:50 Uhr führte der Flugweg in nordöstlicher Richtung entlang des Simmentals, wo das Flugzeug eine Flughöhe von rund 2900 m/M erreichte, bis in die Region von Thun, die mit einer Flughöhe von rund 2300 m/M überflogen wurde. Von dort steuerte der Pilot gegen Osten auf die Nordseite des Hohgant, wobei das Segelflugzeug kontinuierlich weiter absank. Nördlich des Hauptgipfels des Hohgant befand sich die HB-3281 noch auf einer Flughöhe von knapp 1600 m/M (vgl. Abbildung 1, 14:39 Uhr resp. Abbildung 2). Der Pilot erkannte bei Bumbach (BE) eine für eine Aussenlandung geeignete Wiese und entschied sich wenig später, um 14:41 Uhr, dieses Aussenlandefeld anzusteuern, da ein Weiterflug in Richtung Alpnach wegen der geringen Flughöhe nicht möglich war.

Anschliessend flog er in westlicher Richtung mit knapp 500 m Überhöhung 4 an diesem Aussenlandefeld vorbei (vgl. Abbildung 1, 14:42 Uhr) und drehte um 14:45 Uhr in einer Entfernung von rund 5 km und mit rund 280 m Überhöhung wieder zum Feld um. Das Aussenlandefeld erreichte der Pilot schliesslich mit rund 170 m Überhöhung. Er flog zuerst auf der südlichen Talseite in Landerichtung an der Wiese vorbei und drehte anschliessend nach links in einen linken Gegenanflug (vgl. Abbildung 3). Dann wechselte er aber erneut mit einer Linkskurve auf die südliche Talseite und flog nach einer engen Rechtskurve in den Endanflug ein. In dieser Kurve, deren Radius rund 105 m betrug, und im Endanflug flog die HB-3281 bis unmittelbar vor dem Aufsetzen auf der Wiese mit einer wahren Fluggeschwindigkeit (True Airspeed – TAS) von etwa 125 km/h5.

Der Pilot setzte das Flugzeug unmittelbar nach einem quer verlaufenden Weg auf der Wiese auf, fuhr die Bremsklappen vollständig aus und betätigte die Radbremse mittels des Radbremsenhebels am Steuerknüppel, um das Flugzeug zu Verlangsamen. Dies zeigte aber keine Wirkung; stattdessen fing das Flugzeug auf dem Hauptrad auf der Wiese zu rutschen an. Ein Stossen am Höhensteuer, um die Flugzeugnase auf den Boden zu drücken, brachte auch keine grössere Verzögerung. Am Ende der etwa 200 m langen Wiese befand sich eine Holzhütte des Campingplatzes Bumbach. Der Pilot rollte als letztmögliche Massnahme rund 20 m vor diesem Hindernis das Flugzeug um die Längsachse nach links, so dass der linke Flügel den Boden berührte und sich das Flugzeug um die Hochachse nach links drehte und damit einen absichtlichen «Ringelpietz» ausführte. In der Folge schlitterte das Flugzeug seitwärts nach rechts und kollidierte mit der rechten Flügelspitze mit der Seitenwand der Holzhütte, bevor es zum Stillstand kam. Der rechte Flügel und ein Fenster der Holzhütte wurden dabei beschädigt.

Analyse und Schlussfolgerungen
Der Pilot entschied sich nach der Sichtung des Aussenlandefeldes in Bumbach zeitnah, zu diesem Feld umzukehren und nicht in geringer Flughöhe weiter der geplanten Flugstrecke zu folgen. Dieser Entschluss war sicherheitsbewusst, da eine frühzeitige Landefeldsuche und -auswahl, insbesondere im alpinen Gelände mit wenigen Landemöglichkeiten, entscheidend für einen sicheren Ausgang einer Aussenlandung sind. Anschliessend flog der Pilot mit einer Überhöhung von 500 m an diesem Aussenlandefeld vorbei. Diese Höhenreserve erlaubte es ihm gemäss der Trichtertheorie 6, nicht sofort den Landeanflug einzuleiten, sondern noch nach möglicher Thermik in der Umgebung zu suchen. Er flog in der Folge rund 5 km weiter nach Westen, wobei das Flugzeug knapp 200 m an Flughöhe verlor, was ungefähr zwei Drittel der Gleitleistung des Flugzeuges entsprach (vgl. Abbildung 1). Daraus lässt sich schliessen, dass in dieser Gegend Abwinde vorherrschten und der Pilot deshalb damit rechnen musste, dass das Flugzeug beim Rückflug zum Aussenlandefeld ähnlich stark absinken würde. Der Entscheid, zum Aussenlandefeld zurückzukehren, erfolgte demnach erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, als sich das Segelflugzeug bereits am Rande des Entscheidungstrichters befand. Dies führte dazu, dass der Pilot das Aussenlandefeld mit nur rund 170 m Überhöhung erreichte und ihm deshalb kaum Zeit blieb, um den Endanflug im anspruchsvollen Gelände zu planen. Der Anflug erfolgte denn auch nicht gemäss einer Standard-Platzrunde (vgl. Abbildung 3) und führte, basierend auf Fluggeschwindigkeit und Kurvenradius, in der Endanflugkurve zu Querlagen von über 45°, was grundsätzlich erhöhte Risiken barg.

Im Endanflugteil auf das Aussenlandefeld und bis zur Landung lag die Fluggeschwindigkeit rund 30 km/h über der gemäss Flughandbuch empfohlenen Anfluggeschwindigkeit. Dies führte zu einer erheblichen Verlängerung des Rollweges und im Zusammenhang mit der nassen Grasnarbe und der damit einhergehenden, verminderten Wirksamkeit der Radbremse dazu, dass der Pilot das Segelflugzeug nicht vor dem Ende des Aussenlandefeldes abbremsen konnte. Quelle: ‚SUST‚.

Kommentar verfassen