Jenacup Tag 4

von Martin Knops

Trotz des Dämpfers am 3. Wertungstag lag ich immer noch auf Platz 5. Der ganze Wettbewerb machte unheimlich viel Spass. Gutes Wetter, schöner Platz, Klasse-Organisations-Team und sportlich lief es unterm Strich trotz des mäßigen dritten Fluges bislang hervorragend. Auch der Folgetag versprach, wieder toll zu werden. Viel Wind, aber auch gute Thermik, klar gezeichnet durch schönste Cumuluswolken. Um so größer war die Ernüchterung, als die Sportleitung die laufenden Starts der offenen Klasse abbrach und den Tag für alle neutralisierte. Der Seitenwind war einfach zu stark, ein Start sah halsbrecherischer aus als der vorherige und so war die Entscheidung leider konsequent. Somit stand erstmal das Alternativprogramm im Kalender. Ich nutzte die freie Zeit, um mir auf dem Golfplatz den Wind um die Nase wehen zu lassen und abends ging’s ins Kino. „Top Gun“, was sonst.

Der folgende Mittwoch erinnerte zunächst verdächtig an den ersten Wertungstag. Geschlossene Wolkendecke, Warten im Grid auf das angekündigte, gute Wetter. Das lag nordwestlich von uns in Lauerstellung. Von Langenfeld aus waren einige schon seit 10 Uhr morgens in der Luft und hatten längst Hunderte Kilometer auf der Uhr, als wir immer noch nach dem ersten Sonnenstrahl am Horizont Ausschau hielten und ständig die aktuellsten Satellitenbilder checkten. Um 14 Uhr ging es endlich in die Luft. Auf dem Zettel stand mal wieder eine AAT.

Zunächst sollte es gegen den Wind nach Nordwesten gehen, dann nach Osten über den Harz und von dort zurück nach Jena; 3:15 h Mindestwertungszeit. Über die genaue Streckenführung hatte ich mir nach dem Briefing intensiv Gedanken gemacht. Alles lief darauf hinaus, schon den ersten Wendesektor maximal nach Nordwesten auszufliegen. In dieser Richtung würde das Wetter mit jedem Kilometer besser werden. Vermutlich würde man Wolkenstrassen nutzen können und so auch gegen den Wind zügig vorankommen. Hinzu kam noch ein weiterer Aspekt, von dem ich insgeheim hoffte, dass ihn nicht jeder erkennen würde: Wer zu früh die erste Wende setzt, der wird bei den zu erwartenden hohen Schnittgeschwindigkeiten Schwierigkeiten haben, ausreichend weit zu fliegen und die 3:15 h Mindestwertungszeit zu erreichen. Der zweite Wende-Sektor und der kleine dritte Sektor südlich Jena boten hierfür einfach zu wenig Spielraum. Und wer verfrüht nach Hause kommt, der verschenkt wertvolle Punkte. Die geflogenen Kilometer werden zur Ermittlung der Schnittgeschwindigkeit nämlich auch dann durch die Mindestwertungszeit geteilt, wenn man effektiv kürzer geflogen ist.

Ich rechnete optimistisch mit 130 km/h Schnittgeschwindigkeit und folglich 420 km Strecke, die ich fliegen musste. Mein Plan war: südlich am Harz vorbei, das Weserbergland entlang bis an den Luftraum von Hannover. Alles genau gegen den Wind. Nach der Wende die gleiche Spur zurück und den richtigen Moment für den Absprung hinüber zum Harz finden. Nach Osten bis zum südlichsten Rand des zweiten Wendezylinders. Dann nach Hause bzw. zuvor noch den Pflichtsektor südlich Jena ankratzen, den die Wettbewertbsleitung eingefügt hatte, damit sich alle für die Landung von der „richtigen“ Seite dem Flugplatz nähern.

Das Landeverfahren bei so einem Wettbewerb ist einen kleinen Exkurs wert. Für Piloten wie für Beobachter ist es durchaus spektakulär, wenn innerhalb kürzester Zeit Dutzende Flugzeuge am Flugplatz einfallen. „Zuhause“ ist man gewohnt, dass man als anfliegendes Flugzeug den Flugplatz für sich hat. An Grossflughäfen wie Frankfurt beeindruckt die Perlenschnur, an der die landenden Flieger aufgereiht sind. Was macht man aber, wenn sich das halbe Wettbewerbsfeld gleichzeitig dem Platz nähert?

Die passende Infrastruktur, das richtige Regelwerk, aber auch Schwarmintelligenz, Disziplin und Selbstorganisation sind hier gefragt.

  • Zutat eins: Ein Platz, der breit genug ist, um Parallellandungungen zu erlauben. Zwei, besser drei Flugzeuge nebeneinander sollten passen.
  • Zutat zwei: Ein Flugplatz, der lang genug ist, um sicheres Landen mehrerer Flugzeuge mit minimalem Abstand zu ermöglichen. Jeder landet so weit wie möglich durch; bis zum Flugplatzende oder bis zum vorher gelandeten Flugzeug. Alles mit Sicherheitsabstand, versteht sich.
  • Zutat drei: Direktanflug aller Landenden! Anflug der Position und klassische Landeeinteilung strengstens verboten!
  • Zutat vier: Eine Schar umsichtiger und guter Piloten, die nicht zu Hektik und Panikattacken neigen 😃. Gleiches gilt übrigens auch für den Sportleiter am Boden, der nur sehr bedingt koordinieren kann und doch viel Verantwortung auf seinen Schultern trägt.
  • Zutat 5: Zielkreis in ausreichendem Abstand vom Flugplatz, in den mit einer Höhe eingeflogen werden muss, die Spielraum für die Landeeinteilung lässt. Damit verhindert man erfolgreich extrem knappe Anflüge.
  • Zutat 6: eine fleißige und hellwache Bodencrew, die die gelandeten Flugzeuge schnell und umsichtig aus der Landebahn schafft.

Zurück zu meiner Streckenplanung. Diese hatte eine entscheidende Schwäche: sollte ich nach der ersten Wende nicht schnell genug sein, so gäbe es praktisch keine Möglichkeit, die Strecke zu verkürzen. Unvermeidliches Ergebnis wäre eine deutlich zu lange Flugzeit im Antlitz des nahenden Thermikendes. Um es kurz zu machen: mein Plan ging geradezu beängstigend perfekt auf. Abflug kurz vor 15 Uhr, Flugzeit exakt 3:15, 422 km mit 130 km/h, belohnt mit Tagesplatz 2 und einer Verbesserung auf Gesamtplatz 3. Wow! Ganz so geschmeidig, wie sich das alles anhört, lief es unterwegs aber doch nicht. Im ersten Aufwind nach dem Abflug traf ich Bruno Gantenbrink mit seiner Nimeta und Uwe Förster in der EB29DR. Zwei der imposantesten Flieger, denen man in der Luft begegnen kann. 31 Meter und maximal schlanke 28 Meter Spannweite. Es ist einfach majestätisch, wie diese beiden Langohren ihre Kreise ziehen oder im gestreckten Galopp voranpreschen. Ich genoss diesen Anblick für die nächsten 100 km oder knapp 45 min, die wir gemeinsam gegen den Wind die Cumulusreihungen absurften. Ich zugegebener Maßen meist in der von den Kollegen wenig geschätzten „hinten links oben“ Position. Wir hatten keinen Funkkontakt und ich versuchte mit meinem vermeintlich unterlegenen „Stummelflieger“, den beiden Langohren zu folgen. Dieser direkte Vergleich zeigte mir endgültig, dass ich mit der JS1 das perfekte Flugzeug unter dem Hintern hatte; zumindest für die in Jena durchgängig vorherrschenden guten Wetterbedingungen. Ein Nachteil im Gleiten ließ sich beim besten Willen nicht erkennen. Im Gegenteil: den Vorteil des Hinterherfliegenden, der zu jeder Zeit sieht, wer der beiden Vorausfliegenden besser steigt bzw. weniger stark sinkt, konnte ich nutzen, um immer der höchste von uns dreien zu sein. „Hinten links oben“ eben.

Schließlich wurde es mir doch zu peinlich und ich gab noch etwas mehr Gas, zog an den beiden vorbei und hatte sie wenig später für den Rest des Tages verloren, da sie einer weiter östlich verlaufenden Wolkenstrasse folgten. Ich dagegen folgte weiter den im Wind ausgerichteten Höhenzügen östlich der Weser und wendete kurz vor dem Luftraum Hannover. 180 km gegen den Wind in 1:25 h. Alles im Plan, alles perfekt. Leider hatte ich damit den entspanntesten Teil des Fluges schon hinter mir. Anstatt im Delphinstil die Wolkenstrassen entlang zu surfen, war nun mehrmaliges, tieferes Abgleiten durch starkes Fallen angesagt. Zum Glück gelang der Einstieg in den Südharz letztlich problemlos. Der entscheidende Bart stand genau an der erwarteten Stelle und obwohl dieser nicht ganz die erhoffte Stärke hatte, nahm ich jeden Meter mit. Zu unwirtlich, zu unlandbar und schlicht und einfach verdammt hoch ist der Harz im weiteren Verlauf der Flugroute. Verdammt weitläufig zudem! Die vom Fichtensterben der letzten Jahre massiv gezeichnete Hochfläche nimmt kein Ende und so war es auch in der folgenden halben Stunde mein vorrangiges Ziel, immer schön hoch zu bleiben. Dies ging leider etwas zu Lasten der Geschwindigkeit. War ich auf dem ersten Schenkel noch eindeutig der Schnellste im gesamten Feld, so verlor ich auf der zweiten Etappe Richtung Osten deutlich auf den späteren Tagessieger Conrad Hartter in der zweiten JS1. Conrad flog den nördlichen Harzrand entlang. Hier gab es offensichtlich einen leichten Luveffekt, den er nutzen konnte, während ich im Gegenzug durchs Lee des Brockens flog. Diesen Effekt hatte ich nicht auf der Liste gehabt und bei der Streckenwahl nicht berücksichtigt! Der Ärger hierüber hielt sich aber in Grenzen. Platz 2 mit kleinem Rückstand auf den Tagessieger und deutlichem Vorsprung auf die anderen Konkurrenten, beide JS1 vorne. Daran könnte ich mich gewöhnen, so durfte es ruhig weitergehen 😃.

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