Jenacup Tag 3

von Martin Knops

Wie sagte ich noch: Ungemach droht an jeder Ecke. Womit wir bei Tag 3 wären.

Der Tag begann unschuldig mit bestem Wetter, aber am frühen Nachmittag sollte von Nordwesten dichte Bewölkung aufziehen. Es würde also ein Wettlauf gegen die Uhr werden. Um das fliegbare Wetter möglichst lange nutzen zu können, sollte es im Uhrzeigersinn um Leipzig herum gehen, 450 km. Laut Wettbewerbsleitung war dies eine absolute Premiere. Angeblich war kein Mensch jeweils auf die Idee gekommen, so zu fliegen, da der Korridor zwischen Dresden und Leipzig thermisch als extrem schlecht bekannt ist. Heute sollte dies aber anders sein. Nun gut, wenn der Meteorologe meint…

Ich bin früh abgeflogen. Alleine von Vorne das Rennen gewinnen, so der Plan. Angesichts der Wetterprognose sicher kein Fehler. Und zunächst lief es auch richtig gut. Gegen den strammen Nordwind bin ich unter dem westlichen Leipziger Luftraum durchgetaucht, habe nach 100 km an der 1. Wende einen starken Aufwind gezogen und den Fläming entlang Richtung Osten sah es traumhaft aus, während im Westen schon die aufziehende hohe Bewölkung zu erkennen war.

Leider gelang es mir auf dem langen Schenkel nach Osten nicht, unter den wunderbar anzusehenden Cumulusfladen wirklich starke Aufwinde zu finden. Zwar ging es problemlos und auch durchaus zügig voran, aber mich beschlich das sichere Gefühl, dass mein Vorsprung vor der Konkurrenz ständig schmolz. Zum ersten Mal begann ich, einen Teampartner zu vermissen. Zu Zweit hätten wir die 3-Meter-Bärte mit Sicherheit gefunden, an denen ich nun schon wiederholt vorbeigeflogen war.

Wie ich später erfuhr, verfolgten einige meinen Kampf um den Tagessieg live im Internet. Dort kann man mittlerweile in Echtzeit mitfiebern und hat alle Informationen, die der Pilot im Cockpit selbst zu gerne hätte. Position der Konkurrenten, deren Steigwerte, Vorfluggeschwindigkeiten… Manch professionelle Crew funkt diese Daten kontinuierlich an ihren Piloten, verschickt WhatsApp-Nachrichten etc. Nun ja, es geht auch ohne. Manches möchte ich mitten im Rennen auch gar nicht wissen. Was ist hilfreich, was lenkt nur ab von der Herausforderung, selbst die Aufgabe optimal zu fliegen? In jedem Fall drückten mir einige die Daumen und fieberten mit, ähnlich wie mit einem Ausreißer bei der Tour de France. Ein schöner Vergleich. Und leider ging es mir auch genau wie den meisten dieser Ausreißer. Den ganzen Tag kämpft man bis zur Erschöpfung, um dann kurz vor dem Ziel vom Feld überrollt zu werden. Es hätte aber auch durchaus gut gehen können. Dann wäre ich nicht der tragische, sondern der strahlende Held dieses Tages gewesen.

Doch der Reihe nach. Direkt hinter der Wende Lübbenau an der Autobahn zwischen Berlin und Dresden, hatte ich in einem schönen Aufwind Zeit, mir über die Taktik für die verbleibenden 180 km Gedanken zu machen. Was eben noch als starker Seitenwind nervte, schob nun Richtung Heimat. Es war also auf jeden Fall richtig gewesen, erst hinter der Wende zu kurbeln und einige Aufwinde davor stehen zu lassen. Leider gab es aber auch schlechte Nachrichten. Die abschirmende Bewölkung drückte nun doch massiv rein. Vermutlich würde mir nur ein weiterer guter Aufwind auf dem Nachhause-Weg vergönnt sein. Dieser würde aber noch nicht für den Endanflug reichen. Die Höhe hierfür würde ich mir mühsam in zunehmend abbauender Thermik erarbeiten müssen – hoffentlich erfolgreich. Der einzig tröstliche Gedanke war, dass es der Konkurrenz hinter mir kaum besser gehen würde – eher schlechter. Es war auf jeden Fall richtig gewesen, früh abzufliegen.

Ergebnis all dieser Überlegungen war fortan ein eher verhaltener Flugstil. Langsamer vorfliegen, mäßige Thermik, die ich eben noch im Geradeausflug durchflogen hätte, kurbeln; einfach, weil die Aussichten auf Kurs bescheiden waren und voraus noch schlechtere Steigwerte zu erwarten waren. Kurz vor dem Pflichtwendepunkt Colditz, 80 km vor dem Ziel, schaltete ich endgültig auf “Überlebensmodus” um. Ich brauchte noch einige hundert Meter unter den Tragflächen, um nach Hause zu kommen, einen Bart, der mich auf Maximalhöhe tragen sollte, “egal”, mit welchen Steigwerten.

Wie sich zeigen sollte, war ich mit dieser Herangehensweise viel zu defensiv unterwegs. Aber der Reihe nach: Schöne Thermikwolken gab es längst nicht mehr. Wohin sollte ich fliegen? Wo gab es die besten Chancen auf den rettenden Aufwind? Deutlich nördlich vom Kurs, über den Braunkohle-Tagebauten standen unter einer schon massiven Abschirmung noch einige Flusen, die ich als Thermikboten deutete. Würde es da noch hoch gehen? Falls ja: würde der dortige Aufwind aktiv bleiben bis ich die Wolken erreichte? Weiter südlich strahlte die Sonne noch recht ungestört ein. Hier war es aber komplett blau, hier gab es keine sichtbaren Anzeichen von Thermik.

Ich entschied mich zusammen mit Conrad Hartter, der in der zweiten JS1 mittlerweile von hinten aufgeschlossen hatte, für die nördliche Variante. Ein Team aus zwei ASW 22, ebenfalls von hinten kommend, bevorzugte dagegen selbstbewusst den Weg ins Blaue. Mein eigentlicher Fehler war nun, dass ich nicht konsequent zu den Flusen vorflog, sondern stattdessen jeden Lupfer mitnahm. Hier ein Suchkreis, dort zehn Runden in wirklich schwachem Steigen, weiter erst, wenn ein längeres Verbleiben ganz offensichtlich sinnlos wurde. Ich hatte einfach die Hose voll, fürchtete, dass meine Flusen nicht funktionieren würden, dass ich dahinter unter der immer dickeren, geschlossenen Bewölkung keinen Aufwind mehr finden könnte. Mir fehlte der berühmte Plan B und allein auf Plan A wollte ich mich nicht verlassen.

Als ich schließlich doch an den Flusen ankam, überraschten diese mich mit über 2 m/s Steigen. Ich war erleichtert und frustriert zugleich. Warum bin ich Hornochse nicht direkt hierhin geflogen? Hätte, wäre, wenn… Zu allem Überfluss kreiste ein weiterer von hinten aufschliessender Pulk hinter mir an der Wende Colditz in 3,5 m/s ein – das erzählten mir die Internet-Follower nach der Landung. Dieser Hammerbart stand da einfach so, aus dem Nichts. Grrrr! Die Welt kann so ungerecht sein 😕.

Zu meiner Verteidigung muss allerdings auch erwähnt werden, dass andere im Endanflug noch viel mehr Zeit verloren haben als ich. So ist das oben angesprochene ASW 22-Pärchen mit seiner Entscheidung, ins Blaue zu fliegen, gar nicht glücklich geworden. Auch sie haben auf der Suche nach einem Endanflugbart beim „Angstkreisen“ viel Zeit verloren und erst spät und tief einen brauchbaren Aufwind gefunden.

Nach dem Stress der letzten Stunde hatte ich mir eigentlich einen entspannten Endanflug verdient. Aber auch der war mir an diesem Tag nicht vergönnt. Ich hatte erwartet, durch tote Luft zu fliegen und erwischte stattdessen eine unglaublich schlechte Spur. Ich musste so sehr das Gas rausnehmen, dass Conrad, der ein wenig weiter nördlich flog, mir auf den verbleibenden Kilometern mehr als 5 Minuten abnehmen konnte. Wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht…

Tages-Rangliste Jenacup

Als ich schließlich als Tageszwölfter, 26 min langsamer als der Tagessieger (und immer noch mit 115 km/h Schnittgeschwindigkeit) in Minimalhöhe und mit Minimal-Geschwindigkeit über die Ziellinie schlich, fiel alle Anspannung von mir ab. Ich war fix und fertig und offensichtlich nicht mehr voll konzentriert.

Erst im Endanflug auf die Asphaltpiste fiel mir auf, dass ich das Fahrwerk noch nicht ausgefahren hatte. Das wäre der krönende Abschluss eines ohnehin schon bescheidenen Tages gewesen! Fortsetzung folgt…

>> Rückblick, Bericht / Teil 1

>> Rückblick, Bericht / Teil 2

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