Am Donnerstag, 9. Mai 2024 (Auffahrt bzw. Himmelfahrt) machen wir uns auf dem Flugplatz Schänis im Arcus M der Flugschule zu einem unserer Wandersegelflüge dieses Jahres bereit. Angesicht der abziehenden Schlechtwetterzone starten wir spät und gemütlich und sind im Kopf flexibel für die bevorstehende Routenwahl. Denn bei Wettebedingungen wie heute fliegt hier trotz des vielversprechenden ersten Wortes im Titel kaum jemand. Zu aussichtslos scheint die Idee, mit dem Segelflugzeug heute etwas Zählbares zu erfliegen – die einzige Hoffnung der Wettermacher scheint aber nordwärts von uns zu liegen. Dort sieht das Wetter nämlich fliegbarer aus.
Zäher Abflug
Bei einer maximalen Thermik-Höhe von 1’300 Metern über Meer und der entsprechend tiefen Wolkenbasis, die nicht mehr Operationshöhe als die Voralpengipfel von 1’600 Metern gewährt, wagen wir den Start im vor wenigen Wochen erst gelieferten, neuen Arcus M. Die tief hängenden Wolken versprechen wenig nutzbaren Aufwind. Die knappe Thermik macht die Startphase zu einem Spiel zwischen Geduld, Ausdauer und feiner Zentrierarbeit, was mit dem schweren Doppelsitzer nicht ganz einfach ist.
Nur noch auf Winden-Höhe
Wil im Toggenburg erreichen wir noch mit der vom Motor erarbeiteten Starthöhe. Aber hier laufen die entstehenden Cumulus-Wolken gleich wieder breit. Die wenigen nutzbaren Aufwinde finden wir, pulsierend, im «Erdgeschoss» ab 800 Metern über Meer. Mit viel Mühe schaffen wir es letztlich bis auf 1’300 Meter hinauf, was erst mal für einen tiefen Weiterflug nach Norden reicht. Beim Flugplatz Amlikon ist unsere Höhe aber bereits wieder zusammengeschrumpft und beträgt kaum mehr als die übliche Ausklinkhöhe bei Windenstarts – ein doch etwas ungewohnter Blickwinkel. Aber es sollte heute – wir glauben es kaum – noch knapper werden.
Hangflug in Stahringen
In Stahringen zeigt sich nämlich ein ähnliches Bild: Unter der Hangkante bietet sich uns eine etwas zu detaillierte Perspektive auf den Flugplatz. Doch mit dem vorhandenen Ostwind und viel Beharrlichkeit sowie feiner Steuerarbeit arbeiten wir uns nach endlos scheinendem Hangflug endlich über die Hangkante und dann wie im Lehrbuch deutlich zügiger auf 1’500 Meter hinauf. Da erkennt man mit etwas Phantasie ja bereits die Erdkrümmung! Wir lassen uns also nicht von einem Weiterflug abhalten und turnen die ansteigende Topographie nach Nordosten weiter hinauf, immer etwas näher am Boden als uns lieb ist.
In Münsingen angekommen, stellt uns das Wetter vor eine nächste Herausforderung. Eine ausbreitende Wolkendecke lässt keinen Sonnenstrahl mehr auf den Boden gelangen. Aus die Maus – die Thermik ist weg. Frühzeitiges Ausweichen in sonnigeres Gelände hätte vielleicht geholfen, wenn unsere Arbeitshöhe das denn zugelassen hätte.
«Herzlich wollkommen – wir freuen uns über Besuch»
Am Ende bleibt uns – wenn wir nicht auf Uli Schwenks Heimatplatz aussenlanden wollen – nur eine Option: den Motor unseres Arcus M zu verwenden. Der Ostwind bremst unseren «Geländegewinn» zusätzlich. Bald gilt es, bei der fortschreitenden Tageszeit, eine Entscheidung zu treffen: Soll unser heutiges Ziel Bayreuth, Regensburg oder Neumarkt in der Oberpfalz sein? Bei abnehmender Thermik und immer längeren, «blauen» Gleitphasen klären wir mit verschiedenen Funkversuchen, wo wir den Arcus für die Nacht sicher parkieren können. Plötzlich erklingt nach längerer Sendepause auf verschiedenen Frequenzen im Funk doch noch eine erfreuliche Begrüßung: „Herzlich willkommen in Neumarkt, wir heißen hier gerne Gäste willkommen.“ Genau das brauchen wir jetzt – der Entscheid ist schnell gefällt, denn diesen Flugplatz können wir ohne zusätzliche Motorhilfe einigermassen sicher erreichen. Peter presst noch die letzten Meter aus einem der letzten Aufwinde heraus, dann beginnt ein langer Endanflug zum Flugplatz Neumarkt in der Oberpfalz.
Seltsame Pistenbegegnungen
Der Anflug nach Neumarkt wird dann zwar etwas knapp, aber unsere Höhe reicht gut für die übliche Platzrunde. Die Reserve brauchten wir dann aber auch, da sich ein TMG vor uns einreiht, der mit gemächlicher Geschwindigkeit als der Arcus M anfliegt. Nun holt unser Rennkamel namens Arcus M gegenüber dem Motorsegler stetig etwas auf, bis er schließlich durchstartet und die Piste «freiräumt». Doch das sollte heute nicht das letzte Hindernis bleiben.
Etwas erstaunt bemerken wir im Endanflug einen Radfahrer (…), der sich wohl auf die Runway verirrt hat und in der Nähe des Mittelstreifens gemächlich entlangfährt. Selbst der tiefe Überflug des TMG ändert nichts an seiner Seelenruhe. Wir landen dann direkt an der Pistenschwelle und rollen mit ausreichend Distanzreserve langsam hinter dem Radfahrer her. Der bemerkt uns nicht einmal.
Aber nur so lange, bis ein weiterer Radfahrer aus der Gegenrichtung heranrauscht – und sich gut vernehmbar mit dem seltsamen Flugplatznutzer unterhält. Der Grund für das ungewöhnliche Verhalten offenbart sich auch uns, als wir uns dem verträumten Jüngling nähern: Er trägt übergroße Kopfhörer und versteht zudem nur Chinesisch. Damit haben wir nicht wirklich gerechnet. Immerhin ist er nicht auch noch blind, denke ich mir.
Der zweite Radfahrer entpuppt sich als Flugdienstleiter, der zufällig ebenfalls Chinesisch spricht (was man halt in Neumarkt in der Oberpfalz nun mal so spricht) – und dem Radfahrer offenbar unmissverständliche Verhaltensformen auf Flugplätzen beibringt. Bei solchen Irrläufern begreife auch ich erstmals ansatzweise, warum die Luftfahrt-Behörden rund um jede Piste einen NATO-Stacheldrahtzaun aufstellen wollen.
Ein würdiges Finale
Nach dieser eigenwilligen Episode empfängt uns am Boden ein ausgesprochen herzliches Willkommens-Komitee. Man empfiehlt uns eine moderne Übernachtungs-Möglichkeit in Geh-Distanz und sorgt so dafür, dass wir den Abend entspannt ausklingen lassen können. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die Innenstadt geniessen wir bei einem „Münchener Schnitzel“ und ausreichend Durstlöscher den schnell kühler werdenden Sommerabend, während der Arcus friedlich und gut vertäut auf seinem Abstellplatz die Nacht verbringt.
Morgen fliegen wir mit dem Arcus M in die «Bucklige Welt» – Fortsetzung folgt also demnächst.