Führungskräfte lernen von Piloten

Immer mehr Anbieter in der Schweiz, Deutschland und Österreich laden zu speziellen Führungskräfte-Trainings ein, etwa im Airbus 320 oder in einer Boeing 737. Doch nützt das etwas oder handelt es sich lediglich um einen Zeitvertreib, bis „Top Gun: Maverick“ als Fortsetzung des Jetpiloten-Fan-Klassikers vielleicht doch einmal anläuft und der Geschwindigkeitsrausch dank modernster Technik erlebbar wird? Mitnichten!

Dass es zwischen der Fliegerei und dem Geschäftsleben viele Parallelen gibt, wird bereits beim ersten Blick auf die Angebote deutlich. Sowohl Piloten als auch Manager müssen beispielsweise leistungsfähig sein, die richtige Einstellung haben, jederzeit auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, differenzieren, selektieren, schnell entscheiden, klar kommunizieren, entschlossen handeln und nicht zuletzt das Ziel mit ihrer Crew sicher erreichen. Was die Umsetzung betrifft, ist die Luftfahrt jedoch weiter entwickelt. Denn nach einer Reihe von Unfällen in den 70er-Jahren wurde ein Kulturwandel angestossen und „Crew Resource Management“ (CRM)-Training in die Ausbildung aufgenommen, wie Christoph May, Risikomanager und Projektleiter bei einer Bank und Privatpilot, auf der Plattform BankingHub erläutert. Dabei geht es um Kooperation, situative Aufmerksamkeit, Führungsverhalten, Entscheidungsfindung und die dazugehörige Kommunikation, für die klare Prinzipien sowie Vorgehensweisen definiert sind.

Skills aus den besten Cockpits der Welt
Als wichtigster Grundsatz gilt: „First fly the Aircraft!“ Das bedeutet, dass Piloten unabhängig davon, was passiert, zuerst das Flugzeug fliegen sollten. Erst dann sind Entscheidungen zu treffen – und zwar nach dem FORDEC-Model. Demnach werden zunächst sämtliche Fakten zusammengetragen. Als Zweites werden die Optionen betrachtet. Anschliessend wägt der Pilot die Risiken und Vorteile ab. Darauf basierend trifft er eine Entscheidung (englisch: Decision) und setzt diese konsequent um (englisch: Execution). Schliesslich folgt ein Check und gegebenenfalls der Prozess erneut.

Ebenso bedeutend ist die Einstellung, zu der Disziplin, Motivation, Mut, Respekt und Haltung gehören. „Wir nennen es Airmanship“, heisst es auf der Website von Top Gun Leaders Training & Consulting, die mit dem Image des legendären Films alles andere als spielen. Sie vermitteln „Soft Skills aus den besten Cockpits der Welt“, damit diese auch am Boden ihre Wirkung entfalten. Dass Geschäftsführer Ralph Eckhardt unter anderem 20 Jahre Erfahrung als Tornado-Pilot hat, verwundert nicht. Denn wer sonst könnte die in der Luftfahrt bewährten Methoden besser vermitteln als ein Pilot? Wohl niemand.

Piloten übersetzen Wissen und Kompetenzen
Deshalb ist er auch nicht der einzige Flieger, der sein Know-how an Führungskräfte weitergibt. Tom Haug, Major a. D. und früher Jetpilot, lehrt mit seinem Unternehmen TOMKAT zum Beispiel CRM, Entscheidungsfindung nach dem FORDEC-Modell sowie Management von Unsicherheit und Umgang mit Fehlern. Zudem bringt er Managern Strategien wie Closed Loop Communication sowie das Briefing und Debriefing nahe. Diese stammen aus dem militärischen Bereich, werden jedoch inzwischen auch im zivilen Umfeld angewendet, um die Kommunikation zu verbessern.

Ein anderer Pilot ist Philip Keil. Als Keynote Speaker überträgt er spannende Denkanstösse auf die Unternehmenswelt, wenn er über schwierige Entscheidungen spricht, über das Team als Erfolgsfaktor, Führung in dynamischen Zeiten oder eine positive Fehlerkultur. Für seine wegweisenden Ansätze wurde er sogar in den Kreis der „Management-Vordenker Deutschlands“ erhoben.

Mit Holger Lietz steht ein weiterer international gefragter Keynote Speaker am Start, der Mindset und Methoden aus der Welt der komplexen Militärfliegerei auf die Anforderungen an Manager in der Geschäftswelt überträgt. Auf seiner Website fordert er etwa auf: „Gewinnen Sie neue, spannende Tools, Techniken und Methoden für Ihr Leadership & Business Cockpit“, „Richtig entscheiden! Mit der Kampfpiloten-Methode“ und „Verkaufen mit maximaler Schubkraft“. Sein „Level 10 Marketing“ basiert auf einem für die Luftüberlegenheit von Kampfpiloten entwickelten System, dem OODA-Loop. Es ist darauf ausgerichtet, Veränderungen einschliesslich Bedrohungen frühzeitig zu antizipieren und zu neutralisieren, bevor sie kritisch werden.

Leadership jenseits der Schallmauer
Diese Beispiele verdeutlichen: Flüge im Simulator versetzen Führungskräfte in die Lage, hautnah zu erfahren, wie sie in welchen Situationen reagieren und sich wirkungsvolle Methoden anzueignen, die sie aus dem Cockpit in den Chefsessel mitnehmen können. „Manager können viel von Piloten lernen. Vor allem in den Bereichen Fehlermanagement, Stressresistenz und Führung“, schreiben Kahmann & Kollegen. Oder wie die Mach 2 – Aviation Experts formulieren: „Entscheidungen im Team unter Zeitdruck treffen, strukturiertes Arbeiten mit Checklisten und Verfahren aus der Luftfahrt im Cockpit richtig anwenden, erschliesst völlig neue Perspektiven ausserhalb Ihres gewohnten Umfeldes.“

Somit setzen inzwischen viele Branchen zu Recht auf Konzepte aus der Fliegerei und bilden Führungskräfte dementsprechend weiter. Die neuen Blickwinkel aus der Luft sind eine Idee, die so mancher Unternehmung sprichwörtlich Schub verleiht. Wem das nicht reicht, der hat die Option, auch Piloten einzustellen und damit zusätzlich zu den Triebwerken den Nachbrenner zu zünden, um die Schallmauer zu durchbrechen. Sie entscheiden und handeln! Quelle: ‚Die Ostschweiz‚.

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