Beinahe-Kollision von Motorflugzeug und Gleitschirm

Summarischer Bericht

Bezüglich des vorliegenden schweren Vorfalls wurde eine summarische Untersuchung gemäss Artikel 46 der Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen vom Bezüglich des vorliegenden schweren Vorfalls wurde eine summarische Untersuchung gemäss Artikel 46 der Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen vom 17. Dezember 2014 (VSZV), Stand am 1. Juli 2024 (SR 742.161) durchgeführt. Der alleinige Zweck der Untersuchung eines Unfalls oder eines schweren Vorfalls ist die Verhütung von Unfällen oder schweren Vorfällen. Es ist ausdrücklich nicht Zweck der Sicherheitsuntersuchung und dieses Berichts, Schuld oder Haftung festzustellen. Wird dieser Bericht zu anderen Zwecken als zur Unfallverhütung verwendet, ist diesem Umstand Rechnung zu tragen.

Verlauf des schweren Vorfalls

Der Pilot des als HB-TBX eingetragenen Motorflugzeuges Pelikan 4UM startete am 4. März 2023 um 11:07 Uhr mit zwei Passagieren an Bord vom Flugplatz Speck-Fehraltorf (LSZK) zu einem Flug über die Alpen nach Locarno (LSZL). Nach rund 20 Minuten flog der Tiefdecker östlich am Glärnisch vorbei und näherte sich im leichten Steigflug von Nordosten her der Bruwaldalp (GL).

Der Gleitschirmpilot startete mit seinem Gleitschirm Skywalk Arak um 11:27 Uhr von der Bergstation Gumen auf 1900 m/M, zusammen mit einer weiteren Gleitschirmpilotin.

Nachdem die HB-TBX um 11:32 Uhr der Ostflanke des Chnügrats bzw. Seeblengrats in einer Höhe von rund 6200 ft AMSL gefolgt war, tauchte nach Angaben des Piloten rund eine Minute später, in seinem Sichtfeld rechts unter der Motorhaube, plötzlich ein Gleitschirm auf. Die HB-TBX befand sich zu diesem Zeitpunkt auf südlichem Steuerkurs und näherte sich der Ortschaft Braunwald (GL). Er habe umgehend ein Ausweich-Manöver nach links ausgeführt und den Gleitschirm umflogen. Dabei sei vom Flarm eine akustische Warnung ausgegeben worden. Das Motorflugzeug und der Gleitschirm näherten sich um 11:32:50 Uhr in einer Höhe von 1890 m/M (entsprechend 6200 ft AMSL) in der Vertikalen bis auf rund 6 m an, bei einer horizontalen Distanz von rund 17 m. Aus den Aufzeichnungen des Flugverlaufs ist kein Ausweichmanöver erkennbar.

Die Flughöhe der begleitenden Gleitschirmpilotin lag zum Zeitpunkt der gefährlichen Annäherung unter jener des Gleitschirmpiloten. Sowohl der Pilot der HB-TBX als auch die beiden Gleitschirmpiloten setzten ihren Flug ohne weitere Ereignisse fort. Anhand der Auswertung des Filmes der Helmkamera des Gleitschirmpiloten liess sich vermuten, dass der Gleitschirmpilot vom sich annähernden Motorflugzeug abgewandt war.

Feststellungen

Die Bergstation Gumen ist ein viel benutzter Startplatz von Hängegleitern sowie von in Braunwald ansässigen Gleitschirmschulen, weshalb das hohe Aufkommen von Hängegleitern oder Gleitschirmen mit einem roten Drachen auf der Luftfahrkarte der Schweiz entsprechend vermerkt ist. Ähnliche Gebiete mit hohem Aufkommen von Hängegleitern oder Gleitschirmen befinden sich u.a. in Engelberg, Interlaken, Fiesch, Marbach und Locarno Cimetta.

Der Pilot der HB-TBX gab an, den Gleitschirm nicht früher erkannt zu haben, weil dieser durch die Motor-Verschalung verdeckt oder aufgrund einer stehenden Peilung schlecht erkennbar gewesen war. Die Beobachtung des Luftraumes habe für ihn immer oberste Priorität. Da er mit dem Blick draussen war, könne er nicht sagen, ob vor der Annäherung durch das Flarm auch eine optische Warnung angezeigt wurde; generell habe er festgestellt, dass andere Luftfahrzeuge oft nicht angezeigt werden, obwohl dies eigentlich durch die Antennenposition möglich sein sollte.

Meldung des schweren Vorfalls

Eine unverzügliche Meldung des schweren Vorfalls an die Meldestelle der SUST, wie dies gemäss Art. 17 VSZV vorgeschrieben ist, erfolgte nicht. Die Kommission der SUST hat gemäss Art. 10 lit. e VSZV die Schweizerische Rettungsflugwacht (REGA) als Meldestelle bezeichnet. Unfälle und schwere Vorfälle, so zum Beispiel auch die vorliegend untersuchte Fastkollision, müssen deshalb gemäss Luftfahrhandbuch der Schweiz (AIP) unmittelbar nach dem Zwischenfall an die Alarmzentrale der REGA (Telefonnummer 1414) gemeldet werden.

Angaben zu Kollisionswarngeräten

Das Flugzeug HB-TBX war mit einem Kollisionswarngerät PowerFlarm ausgerüstet; eine Hindernisdatenbank war nicht installiert. Es lag eine Lizenz für eine zweite Antenne des Power-Flarm vor. Ob die Antenne grundsätzlich richtig montiert war, und ob eine zweite Antenne im Luftfahrzeug angeschlossen war, wurde nicht abgeklärt und die Qualität der Ausgabe akustischer Verkehrswarnungen daher nicht weiter überprüft. Von einer korrekten Installation ausgehend, war die Möglichkeit zur Erfassung anderer Luftfahrzeuge grundsätzlich gegeben.

In den Flarm-Aufzeichnungen werden keine Alarmereignisse aufgezeichnet, lediglich der Kontakt mit anderen Luftfahrtteilnehmern wird verschlüsselt hinterlegt. Unmittelbar vor dem Zeitpunkt des CPA waren solche verschlüsselten Aufzeichnungen gehäuft vorhanden, die auf weitere Luftfahrzeuge hindeuten. Die Option «Flarm Aware»7 im Gerät «Flymaster Live DS» des Gleitschirmpiloten war nicht aktiviert. Dadurch erhielt der Gleitschirmpilot keine Verkehrswarnungen; das Gerät war für andere Flarm-Empfänger jedoch sichtbar.

Meteorologische Angaben

Die folgenden Angaben zum Wetter zur Zeit und am Ort des schweren Vorfalls basieren primär auf den stündlichen Daten der Wetterstation8 Ortstock sowie Webcam-Aufnahmen.

Wetter/Wolken – Weniger als 1/8 Cumulus-Bewölkung (Wolkenfetzen) mit Basis auf etwa 2000 m/M und weniger als 1/8 Cirren; bis 11:20 Uhr keine Wolken am Hang aufliegend.
Sicht – Mehr als 10 km
Wind – Stundenmittel rund 2 kt aus Nord; Böen bis 5 kt; höchstes Stundenmittel an umliegenden Stationen: 8 kt, mit Böen bis 11 kt.
Temperatur / Taupunkt – ca. 0 °C / -5 °C
Luftdruck (QNH) – 1020 hPa
Gefahren – «In den Niederungen anfangs zum Teil Sichtbehinderung durch Dunst oder Nebelfelder.»

Analyse

Gemäss den vorliegenden meteorologischen Angaben herrschte schönes und trockenes Wetter mit guter Sicht auf der Höhe des Vorfalls in 1890 m/M, mit leichtem Dunst im Tal. Das Wetter hatte somit keinen Einfluss auf die Entstehung der gefährlichen Annäherung.

Aufgrund der Starthöhe des Gleitschirmes in 1900 m/M, was ungefähr der Überflug-höhe der HB-TBX über den Seeblengrat entsprach, war die Luftraum-überwachung nach unten an Bord des Tiefdeckers erschwert; ebenfalls war die Sicht des Gleitschirm-Piloten direkt oberhalb aufgrund des Schirms entsprechend eingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass der Gleitschirm im Sichtfeld des Piloten durch die Motorhaube für längere Zeit verdeckt gewesen war, als sich die HB-TBX von Norden her der Ortschaft Braunwald (GL) näherte. Mit Blick auf den kurvenreichen Flugweg des Gleitschirms kann eine stehende Peilung kurz vor dem Punkt der nächsten Annäherung (Closest Point of Approach – CPA) im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Als der Pilot der HB-TBX den Gleitschirm erblickte, war es für ein Ausweismanöver zu spät, und die HB-TBX überflog den Gleitschirm in wenigen Metern. Die akustische Warnung, wie sie vom Piloten wahrgenommen worden sei, kann nur einem Luftfahrzeug und nicht einem Hindernis gegolten haben, da eine dafür notwendige Hindernisdatenbank im Flarm nicht installiert war. Es ist denkbar, dass es sich bei den verschlüsselten Aufzeichnungen unmittelbar vor dem CAP um den Gleitschirm Skywalk Arak gehandelt haben könnte.

Das Prinzip «see and avoid» («sehen und ausweichen») zur Kollisionsvermeidung funktioniert nicht immer zufriedenstellend. Nebst konstruktionsbedingten Einschränkungen des Sichtfelds kann die visuelle Erfassung anderer Luftfahrzeuge zusätzlich erschwert werden, etwa durch eine stehende Peilung, eine Blendung durch die Sonne oder schwache Kontraste von Flugobjekten geringer Silhouette vor dem Hintergrund, wie dies beispielsweise bei einem weissen Segelflugzeug vor einer verschneiten Bergkette der Fall ist. Hierzu bieten Kollisionswarngeräte oder Hilfsmittel zur Verbesserung der Sichtbarkeit eine gute Unterstützung bei der Luftraum-Überwachung, gemäss dem Prinzip «sense and avoid» («wahrnehmen und ausweichen»).

Kollisionswarngeräte oder Software-Lösungen bzw. Applikationen mit ähnlichem Zweck existieren von verschiedenen Anbietern. Allen gemeinsam ist die Notwendigkeit einer fachmännischen Installation, deren regelmässige Aktualisierung sowie das Aufdatieren allfälliger Datenbanken, das Aktivieren von Optionen oder die Beschaffung nötiger Lizenzen, um die geforderten Funktionalitäten zur Erhöhung der Flugsicherheit zu gewährleisten und sich umgekehrt nicht in einer falschen Sicherheit zu wähnen. Im Rahmen der Untersuchung über die Kollision zwischen dem Motorflugzeug HB-KLB und dem Segelflugzeug HB-3412 vom 12. Juni 2021 westlich des Piz Neir, sprach die SUST daher zu diesem Thema den Sicherheitshinweis Nr. 56 aus (vgl. Schlussbericht Nr.2046).

Zur Vermeidung von gefährlichen Annäherungen ist ein Pilot gut beraten, Gebiete mit hohem Aufkommen von Hängegleitern oder Gleitschirmen bei Möglichkeit grossräumig zu umfliegen.

Schlussfolgerungen

Die Fastkollision, bei der sich ein Motorflugzeug und ein Gleitschirm gefährlich nahe kamen, ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot des Motorflugzeuges den Gleitschirm erst erblickte, als es für ein Ausweichmanöver zu spät war und der Tiefdecker in der Folge den Gleitschirm in wenigen Metern überflog. Quelle: ‚sust.admin.ch‚.

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