Die DM Bayreuth 2023 als Teilnehmer

Lange habe ich mich auf diesen Wettbewerb gefreut, habe mir im Vorfeld um das Wetter und meinen Trainingsstand, die Technik und die Helfercrew und nochmal ums Wetter Sorgen gemacht.

Autor Martin Knops

Noch Anfang Mai schien zumindest der südliche Teil Deutschlands im Rekordtempo die Niederschlagsdefizite des Vorjahres kompensieren zu wollen. Hahnweide-Wettbewerb und verschiedene andere Veranstaltungen waren komplett ins Wasser gefallen oder im Schlamm stecken geblieben (wie eine EB29 beim Startversuch auf der bereits erwähnten Hahn-weide). Doch rechtzeitig für die Deutschen Meister-schaften in Bayreuth drehte das Wetter und es baute sich die berühmte Omega-Wetterlage mit einer stabilen Hochdruck-Brücke von Großbritannien bis ins Baltikum auf. Wenn Engel reisen…

Nun liegen begeisternde, aber auch anstrengende zwei Wochen hinter mir. Zwölf Tage Fliegen (10 Wertungstage und 2 Trainingstage), 57 Flugstunden, über 5000 Strecken-Kilometer. Weit ausladend ging es bis an die polnische Grenze, quer durch Tschechien, an die österreichische Grenze, rund um Nürnberg und natürlich entlang des Thüringer Waldes sowie des Erzgebirges. So viele Eindrücke, so viele Erlebnisse, Euphorie, aber auch Anspannung und Enttäuschung!

Unser Sport hat schon einiges zu bieten, wenn alles so perfekt zusammenkommt: Wetter, Organisation, Kameradschaft, sportlicher Wettbewerb und im besten Fall die eigene Leistung.

Das imposante Starterfeld.

Dabei musste am 2. Wertungstag zunächst ein Schockmoment überstanden werden. Bayreuth ist als Flugplatz ideal geeignet, um ein Feld von 90 Maschinen aufzunehmen und sowohl in der Start- als auch in der Landephase sicher zu meistern. 1000m Länge, neben der Asphaltbahn noch 4 weitere parallele Start- und Landestreifen; da können ruhig auch mal 40 Flugzeuge innerhalb von 8 Minuten landen, eins alle 12 Sekunden. Das schaffen sie weder in Frankfurt noch in Schiphol 🙂 .

Aber ohne Tücken ist der Platz mit seiner „Flugzeugträgerlage“ auf dem Bindlacher Berg oberhalb der Festspielstadt Bayreuth dann doch nicht. Bei Ostwind, der uns beständig durch die zwei Wochen begleitete, bildet sich im Anflug ein starkes Lee aus, das über die Jahrzehnte schon so mancher Pilot massiv unterschätzt hat.

Intensiv wird hiervor bei jeder Gelegenheit gewarnt: hoch und schnell anfliegen, im Zweifel rechtzeitig ins Tal abdrehen, dort sicher landen oder den Motor ziehen… und doch hat es einen von uns erwischt mit einer „Landung“ in der Steilböschung kurz vor der Schwelle. Der Schock saß und leider gab es wirklich Momente des Bangens. Erst das Gerücht, dass „einer fehlt“, es nicht in den Flugplatz geschafft hat. Keiner hat es richtig gesehen. Dann die Bestätigung, die ersten Feuerwehrfahrzeuge, die auf den Platz rollen. Dann ein Name: ein guter Freund von mir! Zum Glück ist alles recht glimpflich ausgegangen: Pilot nur leicht verletzt und sogar der Flieger mehr oder weniger am Stück.

Wie lief es sportlich für mich und Conrad, unser „JS1-Team“? Wie gesagt: Euphorie, Anspannung, Enttäuschung. Es gab von allem reichlich. Dabei war es unglaublich lehrreich und einfach toll, mit und gegen vier Weltmeister (mit zusammen neun Titeln), einen Europameister und weitere Spitzenpiloten zu fliegen. Wer sich die Wertung der Offenen Klasse anschaut, der kommt leicht zu dem Schluss, dass die EB29R einfach unschlagbar und weit überlegen ist. Sechs dieser Wundermaschinen waren am Start und sie flogen untereinander ihre eigene Meisterschaft aus, belegten ungefährdet die ersten sechs Plätze. Dahinter bis zum letzten Wertungstag Conrad und ich auf den Plätzen 7 und 8, „best of the rest“, bevor wir am allerletzten Tag Letzte wurden und in der Gesamtwertung noch um 2 Plätze abrutschten auf 9 (Martin) und 10 (Conrad) – das war so ein Moment bitterer Enttäuschung.

Es wäre aber viel zu einfach, alles nur auf das Material zu schieben. Ja: die EB29R ist eindeutig das weltbeste Segelflugzeug. Aber genauso klar ist auch, dass „die Weltmeister“, dass insbesondere Michael Sommer, Felipe Levin und Holger Karow (aber auch Markus Frank) als Piloten eine Klasse besser fliegen. Wow! Ich bin noch dabei, sauber zu analysieren und möglichst viel daraus zu lernen… aber klar ist, dass die Jungs konsequenter fliegen, nur die stärksten Aufwinde annehmen, keinen unnötigen Kreis drehen, dabei natürlich die Wetterentwicklung perfekt im Blick haben und ganz allgemein ein (noch) viel besseres Lagebild haben als unsereins.

Ein schönes Beispiel hierfür zeigte sich am vierten Wertungstag. Die Sportleitung schickte uns weit nach Tschechien, bis an die Grenze des Prager Luftraums und von dort wieder zurück an den Nordrand des Bayrischen Waldes – immer entlang des besten Wetters mit optimaler Cumulus-Bewölkung – so das vollmundige morgendliche Versprechen unseres (ansonsten sehr guten :-)) Wetterfrosches. Stattdessen gab es in der tschechischen Ebene Blauthermik mit mäßigen Arbeitshöhen und dichte Cirren-Feldern, welche die Sonneneinstrahlung zeit- und abschnittsweise fast völlig unterbanden. Heiko sprach als Sportleiter am nächsten Morgen von einem schönen „Ochser“ – man wollte es uns ja nicht zu einfach machen und ein wenig selektieren. „Mission accomplished“!

Nach einem letzten Bart auf etwa 1800m NN entschieden sich Conrad & ich (und ein paar andere) die Bergkette des Oberpfälzer Waldes weit nördlich anzufliegen. Fast querab zum Kurs ging es „in die Sonne“. Leider glitten wir bis zum Grenzgebirge trotz Sonneneinstrahlung durch tote Luft und erst am Höhenzug selbst gelang aus niedriger Höhe mühsam der erneute Anschluss an die Thermik.

Andere glitten (mit etwas weniger Ausgangshöhe) stur auf Kurs in das abgeschattete Gebiet – und zogen wenig später den Motor. Im Vergleich zu diesen Kollegen waren wir die Helden des Tages, hatten genau die richtige Entscheidung getroffen und einen entscheidenden Vorsprung herausgeflogen. Super!

Leider gab es da aber auch noch „die Weltmeister“. Diese erkannten aus exakt unserer Ausgangslage, dass sie mit der im letzten gemeinsamen Aufwind gewonnenen Höhe auf Kurs durch das abgeschattete Gebiet hindurchgleiten und dahinter in 500m über Grund wieder die sonnenbeschienenen Höhenzüge erreichen würden. Kein Umweg und im Endeffekt noch nicht einmal ein erhöhtes sportliches Risiko. Auch wir hatten -trotz Sonne- in der Ebene kein Steigen mehr gefunden und waren über dem Höhenzug in 400 m über Grund wieder eingestiegen – leider weit ab vom Kurs. Hiermit nahmen Michael Sommer, Felipe Levin und Bruno Gantenbrink uns mal eben 20 min ab. Chapeau!

Michael Sommer & Felipe Levin sind ohnehin ein eigenes Kapitel wert. Diese beiden zelebrieren zusätzlich zu ihrer individuellen Klasse perfekten Teamflug und sind damit praktisch unschlagbar. Wie schwer Teamflug auf höchstem Niveau ist, konnten wir an verschiedenen Beispielen und nicht zuletzt an uns selbst beobachten. Bei den meisten funktioniert es genau so lange, bis es schwierig wird – und dann platzt das Team! Der eine fliegt rechts, der andere links, der eine zündet den Motor, der andere schafft es nach Hause. Super! Unterm Strich bildeten Conrad und ich (neben Nathalie und Peter) das zweitbeste Team in der offenen Klasse – Welten schlechter als Sommer & Levin und doch um Längen besser als alle anderen, die letztlich vergeblich versuchten, zusammen zu fliegen.

Ohne hier (schon) ins Detail zu gehen: Es gibt mehrere Knackpunkte, die den Teamflug im Wettbewerb so erschweren. Grundsätzlich ist Kommunikation das Ah und Oh – und das Potential für Missverständnisse unendlich groß. Akustische und sprachliche Verständigungsprobleme, zu spätes Drücken des Funkknopfes, aber auch weniger Banales: „ich dachte das sei klar“, „wir hatten das doch am Boden so besprochen“, „aber die Lage war dann doch ganz anders“, „ich dachte…“.

Darüber hinaus haben wir beide unterschätzt, wie viele Entscheidungen Bauchentscheidungen sind, die man nicht komplett rational erklären kann. Wenn hier nicht beide das gleiche Bauchgefühl haben, dann setzt sich entweder einer durch – und wenn es schief geht, ist der Ärger vorprogrammiert. Oder das Team wird gleich ganz gesprengt. Dazu ist es bei uns nie gekommen, aber wir haben es bei anderen beobachtet… der eine fliegt rechts, der andere fliegt links…

Auch unterschätzt haben wir wie oft und wie schnell sich zwischen den Teampartnern Höhenunterschiede von mehreren 100m ausbilden. Ein Kilometer lateraler Abstand, der Vorfliegende „zieht“ 3m/s, steigt damit 100 m, bevor Nummer Zwei überhaupt im Aufwind ankommt. Und natürlich trifft der Nachzügler den Aufwind nicht genauso gut, ruck zuck liegen 300 Höhenmeter zwischen beiden Flugzeugen. Während Nummer 1 immer noch satt steigt, ist Nummer 2 zusehends verzweifelt. „Diesen Aufwind müssen wir sofort verlassen“, das Steigen ist zu schwach (nur für Nummer 2!), der Abstand wird immer größer. Wie die Lücke wieder schließen? Oben warten macht keinen Sinn. Der Bart ist für „Nummer 2“ ja schwächer, zu schwach! Nummer 1 kann nun schneller vorfliegen, schneller Höhe abbauen. Er kommt damit aber auch eher im nächsten Aufwind an. Ist dieser gut, so vergrößert sich der Abstand der Teampartner gar! In dieser Situation ist die Versuchung für den tieferen Teampartner groß, etwas „Eigenes“ zu probieren, nicht den gleichen Flugweg zu wählen, sondern „die andere“ Wolke anzufliegen oder gar hinter dem Partner einzukreisen. Nur so scheint ein Aufholen möglich – dieses Verhalten birgt aber auch ein großes Risiko, das Team weiter auseinander driften zu lassen.

Noch schwieriger wird die Sache, wenn es nicht darum geht, dass einer mit 3 m/s steigt und der andere nur mit 2 m/s, sondern wenn es vielmehr in niedriger Höhe ums „Überleben“ geht, wenn der Eine steigt und der Andere nicht. Dies sind die Knackpunkte fürs Team. Conrad und ich haben in verschiedenen Situationen tatsächlich aufeinander gewartet. Aber es gibt auch Momente, in denen dies nicht sinnvoll ist, in denen man sich trennen muss. Und es gibt Situationen, in denen beide dies unterschiedlich einschätzen. Dann wird es richtig schwierig.

Wie schaffen es Sommer & Levin praktisch immer zusammen zu bleiben, meist auf die Sekunde genau gleich schnell zu fliegen? Ein Stück weit bleibt es für mich ein Rätsel, aber sie fliegen wirklich mit sehr geringen Abständen, um die oben erläuternden Situationen bestmöglich zu vermeiden und sie sind einfach perfekt eingespielt – bewundernswert!

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