Meine erste Saison mit der JS1 – Teil 1

In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.

>> Rückblick auf „Mein Weg zur JS1 – Teil 1“ sowie auf „Mein Weg zur JS1 – Teil 2

Autor Martin Knops

Mitte September ist das Jahr zwar noch lange nicht vorbei – aber fliegerisch wird nichts Großes mehr passieren und so ist es Zeit für einen ersten Rückblick. Was für ein Jahr! Und ich spreche nicht von Corona und anderen Ereignissen, die offizielle Jahresrückblicke prägen werden. Ich spreche von meiner ersten Saison mit der JS1.

Begonnen hat es nach dem nervenaufreibenden Weg zur Deutschen Zulassung mit Pleiten, Pech und Pannen – um sich dann fliegerisch fantastisch zu entwickeln.

Doch der Reihe nach.

Nach einem langen Winter war die Vorfreude auf die ersten Flüge mit dem neuen Flieger unbändig und so organisierte ich für den 6.3. zusammen mit ein paar anderen Verrückten Flugbetrieb. Sonne, Kälte und die erste Thermik lockten, aber das Sauerland wurde bei niedriger Arbeitshöhe gefühlt zum Hochgebirge und es dauerte nicht lange, bis ich tatsächlich den Jet starten musste – was leider nicht gelang! Plumps, da lag ich auf einer schönen Wiese im schönen Lennetal… super!

Trotz Jet außengelandet. Und das beim allerersten Flug des Jahres

Ewig war ich nicht mehr aussengelandet und nun bei der allerersten Gelegenheit mit dem neuen Flieger – trotz Jetantrieb! Im Rückblick bin ich übrigens überzeugt, dass ich einfach zu ungeduldig war. Ich hätte dem Motor 10 sec mehr geben müssen, um bei Eiseskälte auf Drehzahl zu kommen. Stattdessen habe ich den Antrieb komplett ein- und wieder ausgefahren, um nach einem erneuten vergeblichen Versuch in mittlerweile nur noch 150 m über Talgrund aufzugeben und mich auf die Landung zu konzentrieren – Anfängerfehler.

Die ersten sechs Wochen der Saison waren durch Kaltluft geprägt. Skisocken und Thermohosen bis weit in den Mai, Schauer meist als Schnee – und gute Thermik. Aber leider nie homogen und damit nicht für die ganz großen Flüge geeignet. 400 bis 500 km waren dennoch immer drin.

Besonders in Erinnerung behalten werde ich einen Flug von Langenfeld durch Eifel, Saarland, Pfalz und Hunsrück. «Zwischen Schauern, durch Schauer und um Schauer herum» war das Motto. Das ging schon vor dem Start los. Von Norden drückte eine massive Schauerlinie rein, die thermisches Fliegen in Langenfeld für Stunden unterbinden würde. Linksrheinisch war es aber laut Niederschlagsradar offen und so ließ ich mich schnell auf 600 m Höhe Richtung Rhein mitten in den Schneeschauer schleppen, um dann Richtung Dormagen dem Licht entgegenzugleiten. Dort erblickte ich nach wenigen Minuten tatsächlich die Sonne und konnte thermisch Anschluss finden. Die Sonnenminuten waren im weiteren Tagesverlauf allerdings an einer Hand abzuzählen und das Handy gab wegen „eingefrorenem Akku“ auch schnell den Geist auf. Und doch ging es thermisch richtig gut, wenn auch zunächst bis an den Eifelrand nur auf 700 m. Auch nach Süden sah es von dort einfach schaurig aus, aber im Funk hörte ich, dass ein Durchkommen möglich war und dass es zwischen den Schauern auf über 2000 m stieg. In dem Moment schien mir das geradezu phantastisch, aber genau so kam es und ich konnte fast im reinen Geradeausflug bis ins Saarland fliegen. Von da aus erwies sich der Heimweg über Rammstein und westlich am Hunsrück vorbei als etwas schwieriger. Aber unter dem Strich war auch der Rückflug problemlos- einfach ein toller Flug!

Auch ein Flug über den Niederrhein ins Emsland und auf dem gleichen Weg wieder zurück war bemerkenswert. „Grauthermik“ war hier das Stichwort. Unter einer massiven Cirren-Abschirmung entwickelte sich dank labiler Kaltluft brauchbare Thermik, die zumindest mit der Absicherung durch den Motor Streckenflug ermöglichte. Ohne Jet hätte ich den Flug wohl nicht gemacht, da die Wahrscheinlich einer Außenlandung einfach zu groß war. So war es ein wunderbares Erlebnis, mit vielen für mich neuen landschaftlichen Eindrücken. Am Niederrhein gibt es sehr idyllische Schlösser und Parklandschaften. Muss man alles auch mal vom Boden aus erkunden.

Unglaublich erlebnisreich und eindrucksvoll war auch der Flug am 14. Mai. Wieder Kaltluft, wieder massive Schauer aber auch wieder zwischendrin gute Thermik. Mein Plan war, der aus dem Westen vorrückenden Schauerlinie entgegenzufliegen, um dann umzudrehen, weit nach Osten zu fliegen und „irgendwie“ nach Hause zu kommen. So weit, so gut. Leider liess ich mich von Nils trotz mickriger Basis in die Eifel locken, anstatt rechtzeitig umzudrehen. Die JS1 ist zwar ein Gleitwunder, aber ansteigendes Gelände, Gegenwind und Sinken sind eine Kombination, die auch durch 21 m Spannweite nicht zu kompensieren sind. So ging es bald mitten durch einen Windpark. Zum Fotografieren fehlte mir leider schon da die Abgebrühtheit.

In dem Augenblick hatte ich noch die Hoffnung, aus Ameisenkniehöhe Anschluss zu bekommen und fokussierte mich auf diese Herausforderung. Aber wenig später musste ich kurz vor der Abbruchkante zum Rurstausee doch den Jet ziehen. Letztlich lief er nur geschätzte 30 sec, bevor ich in einen Aufwind einfliegen konnte. Ärgerlich, aber was soll’s.

Ähnliches wiederholte sich eine knappe Stunde später über Düsseldorf Urdenbach. Langen-Info hatte leider den Einflug in den Düsseldorfer Luftraum, der nötig gewesen wäre, um einen Schauer zu umfliegen und sicher nach Langenfeld zurückzugleiten, verweigert. In 200 m über Grund zündete ich unter einer mächtigen Congestus-Wolke den Jet, um nur Sekunden später einen Vario-Ausschlag zu registrieren, der nicht allein mit dem Düsenschub erklärbar war. Ärgerlich, aber was soll’s 😀. Ich hatte den Motor kaum eingefahren, da sah ich Nils im Arcus mit laufendem Triebwerk unter mir einsteigen. Am Abend erfuhr ich, dass er in der Eifel sogar mehrfach den Motor genutzt hatte… Nun hatte ich bereits zweimal den Jet genutzt, der Tag war eigentlich „kaputt“, aber es war erst 14 Uhr und nach Osten sah es gut aus und so entschloss ich mich, einfach weiter zu fliegen. Vorbei an etlichen Schauern ging es ohne weiteren Motorzünder noch bis fast an die Rhön und wieder zurück nach Langenfeld; immerhin 400 km weit. Never give up!

Zum Thema Pleiten, Pech und Pannen gab es allerdings auch jede Woche etwas Neues zu berichten. So schafften es Stefan und ich beim Ersteinsatz der IMI-Aufrüsthilfe, den Flügel gleich an beiden Enden anzuschlagen – Slapstick pur und zum Glück nur Lackschäden, aber trotzdem ärgerlich und teuer.

Einmannaufbauhilfe. Sehr praktisch, aber auch nicht ohne Tücken.

Man soll Fehler ja teilen, um anderen zu ermöglichen, nicht in dieselbe Falle zu stolpern. In diesem Sinne hier eine etwas ausführlichere Schilderung: Bei der IMI-Aufbauhilfe handelt es sich im Prinzip um eine rollbare Flügeltasche. Der Flügel wird im Schwerpunkt Nase nach unten in die Tasche gelegt; man fasst den Flügel an einem Ende (üblicherweise an der Wurzel) und schiebt ihn „durch die Gegend“. Zur Montage an den Rumpf wird der Flügel samt Tasche in die Horizontale gekippt. Das erste Malheur passierte beim „durch die Gegend schieben“. Der Vorplatz unserer Halle ist gepflastert und steigt leicht an, während der Hallenboden selbstverständlich eben ist. Schiebt man die Tragfläche aus der Halle, so hat diese „am entfernten Ende“ eine deutlich kleinere Bodenfreiheit. In unserem Fall gab es plötzlich unschöne Geräusche… um den Schaden zu begutachten, kippten wir den Flügel in die Horizontale. Während wir mit betretenen Gesichtern Malheur Nummer 1 inspizierten, kippte der Flügel plötzlich wieder in die Senkrechte und schlug mit der Nase auf der Führungsschiene der Hallentore auf! Ihr könnt Euch vorstellen, wie uns zu Mute war…

Schaden Nummer 1. Teure Lernkurve mit der Aufbauhilfe.

Entscheidend für diesen zweiten Unfall war folgendes technische Detail: die Flügeltasche wird über eine Achse mit dem Rollwagen verbunden. Um diese Achse sind Flügeltasche und Tragfläche drehbar. So weit so gut. Die Achse kann an drei unterschiedlichen Positionen in die Tasche eingefädelt werden: Vorn, Mitte, hinten. Je weiter hinten die Achse steckt, desto mehr neigt der Flügel dazu, auf die Nase zu kippen. Je weiter vorne die Achse steckt, desto einfacher kippt er in die Horizontale. Ich hatte zunächst die mittlere Position gewählt. Damit war mein Flügel aber immer noch Kopf- bzw. nasenlastig…

Vor dem Einharzen der losen Buchse müssen die Flügel perfekt ausgerichtet werden.

Nachdem diese Schäden repariert waren, ging eines Morgens der Zweite Hauptbolzen partout nicht rein. Das Flugzeug war nicht montierbar. Nach einigem Rätseln mussten wir feststellen, dass sich eine Hauptbolzenbuchse gelöst hatte – ich konnte es fast nicht glauben. Zum Glück war Christian Ludloff als versierter Werkstattleiter und Prüfer vor Ort. Nach zwei Stunden war die Buchse wieder fachgerecht eingeklebt. Fliegen konnte die JS 1 an dem Tag natürlich nicht mehr – die frische Verklebung musste erst noch aushärten. In der Halle stand aber einsam und verlassen noch eine Vereins-LS8, die nur darauf wartete, von mir bewegt zu werden. So wurde es auch fliegerisch noch ein schöner Tag – natürlich wieder mit Schauern und viel Wind… es war ja immer noch April.

Die Buchse ist in den Holmstumpf eingedreht – interessantes Designdetail

Das waren nur die beiden Highlights der Pleitenserie. Zusätzlich schlug ich mir an einem im Gras verborgenen Kanaldeckel noch das Flächenrädchen ab und zwischenzeitlich klemmte die Pedalverstellung, was im Flug sehr unangenehm sein kann und sich im konkreten Fall auch am Boden zunächst nicht beheben ließ.

Auch das noch: abgerissenes Flächenrädchen

Gefühlt war einfach immer was los…

Ende Mai zeichnete sich dann endlich das lange herbeigesehnte Hammerwetter ab. Schon am Samstag (29.5.) sollte es lokal sehr gut werden und auch für die Folgetage versprach der Wetterbericht einiges. Fleißig wurden alle verfügbaren Informationen gesammelt, Vorhersagen verglichen, Streckenalternativen gewälzt, mit anderen „Experten“ ausgetauscht und schließlich zu einem Gesamtbild verdichtet: Vereinfacht lautete die Empfehlung zur Streckenmaximierung „lege ein Vieleck entlang der von allen Wetterberichten optimal vorhergesagten Linien durch Ardennen, Eifel und Pfalz.“

Klein-Martín wollte es natürlich besser wissen und von Langenfeld aus ein großflächiges 1000-km-Dreieck über Aachen, Bundenthal im Pfälzerwald und Zell-Haidberg bei Hof fliegen.

Erstmals tankte ich ordentlich Wasser (140 Liter) und startete recht früh Richtung Westen. Bis Aachen lief es trotz Industriethermik zäh bei wirklich tiefer Basis. Hier hilft es natürlich, das Gleitwunder JS1 unter dem Hintern zu haben. Da kommt auch bei 700 m Arbeitshöhe kein Stress auf. Ab dem Eifelrand rannte es dann und ab hier wurde es ein wunderbar entspannter Genussflug. Bundenthal und auch Zell-Haidberg wurden im Zeitplan mit einer Schnittgeschwindigkeit deutlich über 100 km/h umrundet. Alles lief bis hierhin wie am Schnürchen.

Der Rückweg führte von Zell über den Thüringer Wald ins Sauerland. Und leider mitten ins abbauende Wetter. Leidensgenossen hatte ich genug. Keiner ist an diesem Abend durch das Sauerland durchgekommen und nach langem Kampf musste auch ich um 19 Uhr in der Platzrunde von Attendorn nach exakt 903 km den Jet zünden.

Eigentlich hätte es ab hier ein entspannter Heimflug werden sollen, aber ich musste es unbedingt nochmal spannend machen… Querab Halver zeigte der Endanflugrechner 300 m Sicherheit auf Langenfeld. In der Erwartung eines sorglosen Gleitflugs nach Hause fuhr ich den Motor ein; ein Fehler! Aus 300 m wurden schnell 250 m mit fallender Tendenz und erst jetzt realisierte ich, was ich mir besser schon vorher überlegt hätte: mit Gleitverhältnis 1:60, 30 km/h Rückenwind und abfallendem Gelände bedeuten 200 m Sicherheit, dass man die letzten 30 km gegen die tiefstehende Sonne in 150-200m über Grund fliegt – praktisch ohne Aussenlandeoptionen. Das war alles andere als eine verlockende Aussicht und so versuchte ich schnell, den Motor wieder zu starten. Leider vergeblich. Vermutlich waren einfach die Batterien nach 10 h Flug schon zu leer.

Ein geschicktes Batteriemanagement hätte hier geholfen. Eine der beiden Motorbatterien muss einfach während des Fluges geschont werden. So blieb mir die Wahl zwischen einer Sicherheitslandung in Wipperfürt oder dem Tiefflug nach Langenfeld. Ich entschied mich für letzteres. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass es wenige km vor dem Flugplatz einen schönen Acker im Wuppertal gibt. Sicher war der Weiterflug somit schon, aber doch unnötig nerven-aufreibend, zumal man den Langenfelder Flugplatz aus dieser Perspektive erst sehr spät sieht und erst dann einschätzen kann, ob „es passt“ oder doch im Wuppertal gelandet werden muss. Man kann sich vorstellen, wie angespannt ich die ganze Zeit war und wie sich die Anspannung löste, als ich den Flugplatz schließlich sicher erreichbar vor mir sah.

Leider löste sich nicht nur die Anspannung, sondern auch die Konzentration. Endlich zu Hause! Was folgte, war eine klassische Fehlerkette, die zum Glück nur peinlich aber ohne Schäden endete.

Doch der Reihe nach:

Der erste Fehler in der Kette war eigentlich schon vor Stunden passiert. Die JS1 hat drei Batterien. Zwei sind hinter dem Sitz angeordnet, speisen sowohl Avionik als auch Jet und werden nach dem Flug mit wenigen Handgriffen zum Laden ausgebaut. Die dritte Batterie versorgt nur die Avionik und sitzt unter der Sitzschale. Sie kann über einen Anschluss im Instrumenten-Brett geladen werden. Das hört sich praktisch an, ist es aber nicht, da man immer ein Ladekabel zum Cockpit führen muss und der Flieger zudem in der Regel im Anhänger übernachtet. Daraus ergibt sich, dass man gerne versucht, ohne diese dritte Batterie durch den Tag zu kommen. Wenn man sie nicht benutzt, muss man sie auch nicht laden. Wenn dann aber am Ende des Tages die beiden anderen Batterien zu leer sind, um den Jet zu zünden, hat man wenig gewonnen…

Fehler Nummer zwei lag auch in der Vergangenheit. Ich hatte mich nämlich schon früh entschieden, im langen gestreckten Endanflug mit Rückenwind zu landen. Wenn man darum bangt, den Flugplatz überhaupt zu erreichen, kommt man eher nicht auf die Idee noch einen Kilometer weiter zu fliegen und eine zusätzliche 180 Grad Kurve zu machen. Genau das wäre aber die deutlich bessere Entscheidung gewesen. Im Rückblick hätte ich die Entscheidung über die Landerichtung einfach bis zu dem Moment, in dem ich den Flugplatz sehen konnte, aufschieben müssen. Bei allem Zittern und Bangen um das Ankommen hätte ich schlussendlich genug Höhe und Energie für eine abschließende Platzrunde gehabt.

Stattdessen begann ich, nachdem der Flugplatz in Sicht gekommen war den direkten Endanflug und überquerte wenig später die Platzgrenze – deutlich zu hoch und deutlich zu schnell mit deutlichem Rückenwind. Entsprechend lang wurde die Landung und als ich endlich aufgesetzt hatte und die Radbremse aktivieren wollte, zog ich statt am Bremsklappenhebel am Wölbklappen-Griff – mit dem Ergebnis, dass ich wieder abhob, den Daktari spielte und nochmal 100 m später zum Stehen kam. Bis zum Waldrand waren es noch 150 m, Angst hatte ich in keinem Moment, aber es war einfach eine grottenschlechte Landung, wie sie mir wohl noch nie passiert war.

So stieg ich mit gemischten Gefühlen aus. Auf der Habenseite ein wunderbarer Flug, mein bislang weitester, raumgreifend durch (fast) ganz Deutschland. Andererseits waren da der Stress der letzten halben Stunde, die verkorkste Landung und der Ärger über die falsche Streckenwahl. Das Sauerland funktionierte an diesem Tag einfach nicht und das war absehbar. Nils hatte es besser gemacht. Er flog zunächst eine ähnliche Strecke ins Saarland und von dort nach Osten, drehte aber „schon“ in Würzburg und flog genau den gleichen Weg wieder zurück. Fast eine Stunde nach mir landete er glücklich mit 1’000 km auf der Uhr.

Da schwebt sie ein. Schönes Bild!

Am Sonntag flog Stefan die JS1 und ich schlief erstmal aus. Das war mehr als nötig. Weniger wegen des zehnstündigen, anstrengenden Fluges, sondern vielmehr, weil ich in der Nacht davor praktisch nicht geschlafen hatte. Das ist leider ein mir seit vielen Jahren bekanntes Problem. Ich schlafe fast immer sehr gut und erholsam. Auch vor Prüfungen oder anderen Großereignissen. Aber wenn am nächsten Tag ein „Rekordflug“ ansteht, bekomme ich kein Auge zu. Im Geiste fliege ich bereits und schaffe es nicht, den Kopf abzuschalten.

Nach einem ausführlichen Frühstück mit der Familie und anderen nicht-fliegerischen Freizeitaktivitäten checkte ich erst am Nachmittag beim Kaffee auf dem Balkon die aktuellen Wetterinfos und war plötzlich elektrisiert: Für Montag sah es richtig gut aus! Vor allem schien Langenfeld ausnahmsweise der ideale Startort zu sein. Früher Thermikbeginn im Bergischen Land und abends sollte es westlich des Rheins besonders lange thermisch aktiv bleiben. Insgesamt bot sich ein schönes 1000-km-Dreieck nach Südosten mit einem abendlichen Schlenker nach Aachen an.

Schnell sah ich in den Kalender – nur interne Meetings, die ich absagen konnte. Ein Blick zu Claudia – ok auch von Ihrer Seite. Ein paar WhatsApp-Nachrichten später war klar, dass es auf jeden Fall Flugbetrieb in Langenfeld geben würde. Allerdings fand sich zunächst kein F-Schlepppilot: Arbeit, gebrochener Arm, frische Impfung, Krankheit… es war wie verhext. Als ich mich schon damit abgefunden hatte, aus der Winde zu starten, sagte Günter zu, in der Frühstückspause für eine halbe Stunde rauszukommen. Danke nochmal Günter!

Montagfrüh rollte ich voller Tatendrang um 08:00 Uhr auf den Flugplatz. Diesmal hatte ich besser geschlafen, vielleicht weil es der zweite große Flug innerhalb von drei Tagen werden sollte. Da ist die Aufregung nicht mehr so groß.

Startbereitschaft hatte ich zunächst für 09:30 Uhr angepeilt. Das schien mir dann aber doch etwas optimistisch und ich bestellte Günter auf 10:00 Uhr um, was ich wenig später wieder bereute, da die ersten Quellungen schon ab 09:45 den ansonsten makellos blauen Himmel zierten.

So war ich letztlich eine gute halbe Stunde zu spät in der Luft. Das Bergische Land war bereits voll entwickelt und bot einen fantastischen Anblick. Über Wermelskirchen erkurbelte ich dennoch erstmal 500 zusätzliche Meter. Selbst mit der JS1 ist es keine gute Idee, tief ins ansteigende Gelände Richtung Osten zu gleiten.

Nach diesem ersten, klassischen Aufwind ging es bis zur ersten Wende südlich Kassel-Calden praktisch im reinen Delfinflug. Aus der Erinnerung hätte ich gesagt „ohne jeden Kreis“. 16 waren es dann doch – ich habe nachgezählt. Ein einziger Rausch, geradeaus unter Wolkenstrassen, weiter, immer weiter, praktisch ohne Höhenverlust. So hätte es endlos weiter gehen können – und sollen! Der Thüringerwald lag erst noch vor mir. Ich freute mich bereits darauf, mit Highspeed in großer Höhe die Kammlinie entlang zu surfen.

Aus diesen Tagträumen wurde ich jedoch jäh herausgerissen. Die Wolken wurden rasch weniger und der Thüringerwald war – komplett blau! Ich brauchte ein paar Kreise in schwacher Thermik, um mich vom Schock zu erholen und mir über das weitere Vorgehen klar zu werden. Sicher würde der Thüringer auch im Blauen gehen. Ich würde aber tief dort ankommen und dies schien mir wenig verlockend. So steuerte ich auf direkten Südkurs und flog vorsichtig tastend ins Blaue.

In diesem Moment hatte ich meinen Traum vom ersten 1000er aufgegeben und wollte einfach nur noch schön fliegen, nicht Aussenlanden und möglichst nicht den Jet ziehen. Andererseits sah ich aber auch keinen Anlass, beizudrehen und nach Hause zu fliegen. Der Tag war noch jung!

Und tatsächlich: Auch im Blauen gibt es Thermik! Und nach etwa 100 km südöstlich der Rhön kamen die Wolken wieder 😀! Mit jedem km wurde es besser und im Fränkischen stellte sich wieder echte Hammerwetter-Optik ein. Jetzt lief es wieder! Gerne wäre ich noch weitergeflogen, aber die Entscheidung zur Umkehr wurde mir vom Luftraum vorgegeben. Durch das Auslassen des Thüringer Waldes war ich insgesamt wesentlich weiter westlich geflogen als geplant und so machte sich vor mir der Truppen-Übungsplatz Grafenwöhr mit seinem Sperrgebiet breit. Hier ging es ohne größeren Umweg nicht weiter, was mir aber trotz der verlockenden Optik Richtung Südost nicht ganz ungelegen kann. Es war mittlerweile 14:50 Uhr und vor mir lagen 365 km zurück nach Langenfeld. Sicher würde es auf dem Weg wieder blau werden und der Weg führte durchs Sauerland, das ich vom Samstag noch negativ in Erinnerung hatte.

Nach der Wende genoss ich bewusst die idealen Bedingungen vorbei an Burg Feuerstein, Bamberg und Hassfurt – und erwartete gespannt das Wetter auf dem weiteren Heimweg. Wie befürchtet, wurde es wieder blauer mit riesigen Abständen zwischen den wenigen Wolken. Die hohe Basis und das Gleitvermögen der JS1 waren aber die richtigen Zutaten für einen insgesamt entspannten und schnellen Flug vorbei an Rhön, Vogelsberg, Gießen und Siegen zurück in heimische Gefilde. Um exakt 18:00 Uhr, viel früher als gedacht, flog ich am Langenfelder Flugplatz vorbei, 800 km auf der Uhr und den Einstieg in die Dormagener Industriethermik fest im Blick. Westlich des Rheins standen noch aktive Quellungen und ich sah durchaus die Chance, noch 200 km zu fliegen. Jetzt oder nie!

„Der Dormagen“ war ein echter Hammer. Nach einem recht tiefen Einstieg ging es mit über 3m/s bis an den Luftraumdeckel. Wunderbar!

Der weitere Weg nach Westen lief problemlos. Die Luftmasse war immer noch sehr aktiv und so ging es über Aachen und die belgische Grenze bis nördlich Spa. Wie ich später erfuhr, verfolgten unter anderem meine Eltern online meinen Flug, bangten um die Rückkehr aus Franken und staunten dann nicht schlecht, als ich immer weiter nach Westen flog, anstatt zu landen oder wenigstens in Aachen umzudrehen. Ähnlich ging es August, der mir bei Jülich entgegenkam, froh, endlich die Endanflughöhe nach Langenfeld zu haben. Auch er wunderte sich, als er beobachtete, wie ich unter ihm durch weiter nach Westen flog. Aber die Gelegenheit war einfach zu günstig und ich musste es versuchen, die 1’000 km voll zu bekommen.

Nach der Wende am Ardennenrand waren es „nur“ noch 100 km zurück nach Langenfeld. Aber es ging gegen den Wind, mittlerweile war es nach 19:00 Uhr und so oder so brauchte ich noch mindestens einen richtigen Aufwind. Hierfür bot sich das Kraftwerk Weisweiler an. Meine Enttäuschung war groß, als sich dort nichts Verwertbares fand. Weitersuchen und dabei Zeit und Höhe verlieren oder das 30 km entfernte Kraftwerk Fortuna ins Visier nehmen?

Braunkohlekraftwerk: Immer wieder eindrucksvoll

Ich entschied mich für letzteres. Über der Südostflanke des Tagebaus Hambach stand sogar noch eine schöne Wolke. An dieser Stelle brennt die tiefstehende Abendsonne im idealen Winkel auf die künstlichen Hänge der mehrere 100 m tiefen Tagebaugrube und induziert so auch zu später Stunde noch Thermikablösungen fast wie an einem Westhang im Gebirge.

Fast wäre ich der Versuchung erlegen, diesen Punkt anzusteuern, aber der Umweg wäre doch so groß gewesen, dass ich die Ankunft im Kraftwerksbart riskiert hätte, wenn sich der erwartete Aufwind am Grubenhang nicht eingestellt hätte.

Anflug auf das Kraftwerk Niederaußem Fortuna

So ging es im direkten Anflug mit optimaler Geschwindigkeit Richtung Fortuna. Ankommen werde ich über Kühlturmhöhe, aber wird es um 20:00 Uhr dort auch noch hoch gehen? Oder wird hier mein Flug 30 km vor dem Ziel und kurz vor Überschreiten der magischen 1000 km Grenze enden? Die Anspannung war enorm, und als ich endlich am Kraftwerk ankam, tat sich zunächst – nichts! Ein wenig Turbulenz, hier etwas hoch, dort dafür wieder runter. Unter dem Strich machte ich keinen Meter Höhe. Wäre ich mal doch an den Grubenrand geflogen…

So war Kämpfen angesagt! Höhe halten und auf die letzte Thermikablösung des Tages hoffen und Warten. – Nach endlos scheinenden Minuten fing ich tatsächlich an zu steigen. Nicht schnell, aber kontinuierlich, zuverlässig, unaufhaltsam! Meine Anspannung begann sich zu lösen, pure Freude machte sich breit. Ich hatte es geschafft!

Zu Hause nach 1004 km

20min später schwebte ich über dem Langenfelder Flugplatz aus. 10 Stunden 20 Minuten und exakt 1004 Kilometer nach dem Start. Im Ausrollen riss noch ein versteckter Betonschacht mein Flächenrad ab. Ein weiteres Kapitel der «Pleiten-Pech und Pannen-Saga». Aber das konnte meine Stimmung an diesem Abend nicht trüben. Kein bisschen!

>> Fortsetzung folgt. Im nächsten Bericht geht es das „Vorspiel zur Alpentraverse“.

Ein Gedanke zu „Meine erste Saison mit der JS1 – Teil 1

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