„Der längste Flug dauerte elf Stunden“

Der passionierte Segelflieger Werner Kramer aus Wehr hat 6000 Flugstunden absolviert. Im BZ-Interview spricht er über die Geschichte des Segelfliegens in Wehr, auf dem Hotzenwald und in Gersbach. Werner Kramer ist seit 64 Jahren Segelflieger. Im Vorfeld eines reich bebilderten Vortrages, den Werner Kramer am Freitag, 21. Januar, ab 19 Uhr in der Wehrer Stadthalle über „Die Geschichte des Segelfliegens in Gersbach, Wehr und auf dem Hotzenwald“ halten wird, sprach Hrvoje Miloslavic mit dem 77-Jährigen über die Faszination und die Bedeutung des Segelfliegens für die Region.

BZ: Herr Kramer, wie viele Flugmeilen haben Sie hinter sich gebracht? Hat es für eine Weltumsegelung gereicht?
Kramer: Nein. Die Welt umsegelt habe ich noch nicht. Erreicht habe ich aber etwa 6000 Flugstunden. Das ist schon einiges. Das schafft man nur, wenn man, so wie ich, seit über 60 Jahren fliegt.

BZ: Wie sind Sie zum Segelfliegen gekommen?
Kramer: Mein Vater ist 1948 aus der britischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Wir haben ihn damals am Bahnhof in Wehr abgeholt. „Muss ich zu dem jetzt Vati sagen?“, habe ich meine Mutter gefragt, weil ich den Mann ja noch nie vorher gesehen hatte. Am darauffolgenden Sonntag wollte mein Vater sehen, was von dem Flugplatz in Rüttehof noch übriggeblieben war. Wir sind dann gemeinsam, ich war damals drei Jahre alt, von Wehr nach Rüttehof gelaufen. Dort hatten sich bereits ehemalige Segelflieger versammelt, die sich überlegt haben, wie sie in Zukunft wieder fliegen werden. Das Segelfliegen wurde von den Alliierten von 1945 bis 1950 verboten. Deswegen beginnt die Geschichte der Luftspotgemeinschaft Hotzenwald erst 1950. Im Alter von 13 Jahren, im Jahr 1958, habe ich mit dem Segelfliegen begonnen. Mein Vater konnte es kaum erwarten, dass ich endlich Flugschüler wurde.

BZ: Welche Voraussetzungen braucht es, um Segelflug zu betreiben?
Kramer: Eigentlich braucht es keine bestimmten Voraussetzungen. Augen und Ohren sollten gut sein, damit man gut sieht und gut hört und alles wahrnehmen kann. Die Gesundheit muss gegeben sein. Ich habe neulich erst vom Fliegerarzt für weitere zwei Jahre die Flugtauglichkeit bescheinigt bekommen. Ansonsten gibt es aber keine Auflagen.

BZ: Welche charakterlichen Eigenschaften kommen Segelfliegern entgegen?
Kramer: Das ergibt sich dann automatisch. Wichtig beim Segelfliegen ist die kameradschaftliche Zusammenarbeit. Wenn man mit einem Segelflugzeug starten will, braucht man mindestes vier bis fünf Leute, die einem dabei helfen. Wenn jemand nicht bereit ist, da mitzumachen, dann wird er allein dastehen und nicht mehr in die Luft kommen. Man wird beim Segelfliegen also vor allem zur Kameradschaft erzogen.

BZ: Wie ist denn der Segelflug in den Hotzenwald gekommen? Gab es vor 1945 schon Aktivitäten?
Kramer: Ja, die gab es. Der erste Segelflug im Hotzenwald fand am 15. Februar 1935 durch Erwin Sahner statt. Er hat eine große Rolle als Flieger in Gersbach gespielt und wurde später zum ersten Vorsitzenden der Luftsportgemeinschaft gewählt. Für das Segelfliegen entdeckt wurde der Hotzenwald wegen seines Segelhanges, der über zehn Kilometer vom Bärenfels zum Eggberg verläuft. Man kann bei Westwind hervorragend Hangsegeln. Der Wind bläst auf den Hang und wird nach oben abgeleitet. Das ergibt ein Luftpolster, auf dem man dann stundenlang segeln kann. Den längsten Flug hatte ich 1963 mit elf Stunden. Dieser Flug gilt bis heute als Dauerflugrekord. Der Hotzenwald gehört zu den geeignetsten Segelfluggebieten in Deutschland. Eine entscheidende Entwicklung nahm das Segelfliegen nach dem Zweiten Weltkrieg, als man ein besseres Verständnis von thermischen Aufwinden bekam, und das Windenschleppen als technische Neuerung des Flugstartes eingeführt wurde.

BZ: Hat sich das Segelfliegen im Laufe der Jahre gewandelt?
Kramer: Beim Leistungsstreckenflug bedient man sich heute modernster Computertechnik. Man kann damit zum Beispiel die Fluggeschwindigkeit den herrschenden Aufwinden anpassen. Flugzeuge wurden früher ausschließlich aus Holz gefertigt. Heute wird kohlefaserverstärkter Kunststoff eingesetzt, der leichter ist und für glattere Oberflächen sorgt, die weniger Luftwiderstand erzeugen.

BZ: Was macht für Sie Segelfliegen aus?
Kramer: Es ist dieser Abstand zur Erde. Man denkt über nichts anderes mehr nach als das, was man in der Höhe macht und sieht. Ich bin ein großer Freund des französischen Buchautoren und Fliegers Antoine de Saint-Exupéry, der das sehr schön in seinen Büchern beschrieben hat. Solang ich Vorstand war, hatten wir immer ein Flugzeug, das auf den Namen Antoine de Saint-Exupéry getauft war. Quelle: ‚Badische Zeitung‚.

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