Am 11. Juni 1928 ist die Raketentechnik noch jung, doch Autos brechen mit ihrer Hilfe Rekorde. Nun soll auch ein Flugzeug erstmals auf diesem Weg abheben. Das Wagnis gelingt ausgerechnet mit einem Segelflugzeug. Die Wasserkuppe in Hessen gilt als die «Wiege des Segelflugs»: im Sommer 1920 findet im Rhön-Mittelgebirge im Deutschen Reich der erste Wettbewerb der Gleitflieger statt. In den folgenden Jahren gehen auf der Wasserkuppe aber nicht nur flugbegeisterte Studenten in die Luft. Auch frühere Militärpiloten frönen dort ihrer Leidenschaft, nachdem es Berlin nach dem Ersten Weltkrieg verboten worden ist, weiterhin Piloten auszubilden oder eine Luftwaffe zu unterhalten.
Ein solcher Veteran ist Fritz Stamer. Der Hannoveraner zieht 1914 im Alter von 17 Jahren in den Krieg, wird in Flandern verletzt und anschliessend zum Feldpiloten ausgebildet. 1917 besteht er die Prüfung. Ein Jahr später wird Stamer mit seiner DFW C.V über Frankreich abgeschossen. 1920 kehrt er aus der Gefangenschaft heim und arbeitet ab 1921 als Fluglehrer auf der Wasserkuppe.
Raketen beflügeln den Traum vom «Weltenraum»
Dort lernt Stamer Alexander Lippisch kennen, der nach dem Krieg als Konstrukteur Erfolge mit schwanzlosen Flugzeugen feiert. Sein Prototyp DFS 39 gilt als Vorläufer des raketengetriebenen Abfangjägers Me 163 aus dem Zweiten Weltkrieg, dessen geistiger Vater Lippisch ist. 1926 heiratet der Ingenieur Käthe Stamers, die Schwester von Fritz. Ihren 1927 geborenen Sohn nennt das Paar tatsächlich Hangwind.
Die Fliegerei steckt auch 1920 immer noch in ihren Kinderschuhen. Der Sieger des damaligen ersten Segelflugwettbewerbs ist gerade mal zwei Minuten und 22 Sekunden in der Luft. Doch die Technik entwickelt sich in den folgenden Jahren rasant – und das gilt nicht nur für die Luftfahrt: 1923 veröffentlicht ein gewisser Hermann Oberth seine Arbeit «Die Rakete zu den Planetenräumen».
11.Juni 1928: Fritz Stamer geht in die Geschichte ein
Dennoch wird ein Versuch geplant: Sein Testpilot und Schwager Franz Stamer soll ins Cockpit steigen. Am 10. und 11. Juni 1928 ist es so weit. Der erste Test auf der Wasserkuppe scheitert: Die Ente bleibt am Boden, die Pulverraketen brennen aus. Beim zweiten Versuch wird die Ente erst mit einem Gummiseil in die Höhe katapultiert, bevor Stamer in der Luft nacheinander beide Strahl-Triebwerke zuschaltet. Die beiden Raketen brennen lediglich 30 Sekunden lang, der Flug dauert nur 80 Sekunden, doch die Ente schwebt 1,5 Kilometer weit. Der erst 30 Jahre alte Veteran und Fluglehrer Franz Stamer aus Hannover ist damit der erste Mensch, der mit einem Raketenantrieb durch die Luft geflogen ist. Es gibt noch einen dritten Versuch, bei dem beide Triebwerke gleichzeitig gezündet werden, doch eines davon explodiert. Die Ente fängt in etwa 20 Meter Höhe Feuer, doch es gelingt Stamer, den Raketengleiter zu landen. Stamer überlebt und geht in die Geschichte ein, doch der Pilot bleibt danach eher bodenständig. Er übernimmt die Flugschule, die bald auf der Wasserkuppe aufgeht, arbeitet dann administrativ im Segelflug und ist 1950 Mitgründer des Deutschen Aero Clubs. Er stirbt 1969. Quelle: ‚bluewin.ch‚. Originalbild: Commons/Bergfalke2.