“Bruch-Landung” am Tandem-Fallschirm

von Frederik Sohn

20.000 Euro Schmerzensgeld für Gastspringer
Ein Fallschirmsprung mit einem erfahrenen Tandem-Master auf dem Buckel verspricht Adrenalin pur. Das unbeschreibliche Gefühl des freien Falls nach dem Verlassen des Flugzeugs mit rasantem Tempo von 180-200 km/h und die anschließende gemächliche Schwebephasse bis zur Drop Zone bleiben ein unvergessliches Erlebnis. Der erste Kontakt mit dem Boden verläuft allerdings nicht immer sanft und geschmeidig, sondern kann im wahrsten Sinne des Wortes auch zu einer äußerst leidvollen “Bruch-Landung” werden. Die Frage, ob dann Schmerzensgeld und Schadenersatz fällig werden, hat das Landgericht Köln jetzt zu Gunsten eines Gastspringers entschieden. Und dies obwohl er zuvor ausdrücklich auf eine Unfallgefahr hingewiesen worden war, er eine Erklärung zum Haftungsausschluss unterschrieben hatte und letztlich keine der beiden direkt beteiligten Personen ein Verschulden traf.

Jeder der im Luftsport aktiv ist, weiß nur zu gut, dass es trotz bester Wetter-Bbedingungen nicht immer ohne das “verflixte Luftloch” geht. Was im Flieger selbst noch problemlos erscheint, erweist sich beim windempfindlicheren Skydiving schnell als anspruchsvolle Herausforderung, die – vor allem in geringer Höhe – nur noch schwer oder gar nicht mehr zu meistern ist. So war es auch an jenem Sommertag im Juli 2018 im linksrheinischen deutschen Mittelgebirge Eifel. Eine Windgeschwindigkeit von lediglich 12 Knoten sorgte für geradezu ideales Sprungwetter, so dass das Tandem-Paar seinen Sprung in die Tiefe weitgehend genießen konnte. Doch nur in etwa 10 Meter Höhe bewirkte eine Turbulenz ein plötzliches Durchsacken des Fallschirms mit einer harten Landung.

Die Folgen des Crashs waren gravierend. Der Gastspringer schlug heftig mit dem Gesäß auf und musste schwerverletzt im Helikopter in eine Uni-Klinik gebracht werden. Die Ärzte diagnostizierten u.a. eine Brustwirbel-Fraktur samt Prellung des Rückenmarks, die seit Langem zu starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führten und die Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 30% zur Folge hatten.

Er klagte gegen die Veranstalterin der Tandem-Sprünge aus Köln, weil er davon ausging, dass die Bremsleine nicht gezogen wurde und man viel zu schnell den Boden berührte. Das Gericht schloss sich jedoch den Feststellungen eines Sachverständigen an, der zu der Überzeugung gelangt war, dass sich der Fallschirm wegen der nicht erkennbaren Turbulenz aerodynamisch verformt hatte. Danach konnte es in solch geringem Abstand zum Boden für den Tanden-Master keine Möglichkeit mehr geben, in den Landevorgang einzugreifen. Hierbei handele es sich um das typische Risiko bei einem Fallschirm-Ssprung, nicht aber um eine Pflichtverletzung des Tandem-Masters.

Letztlich kam es im konkreten Fall nicht darauf an, ob jemanden ein Verschulden für den Unfall trifft, zumal nach § 45,1 LuftVG einem Fluggast Schadenersatz zusteht, wenn er an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen getötet oder verletzt wird. Für das Gericht stand außer Frage, dass zwischen Kunden und Veranstalter ein Beförderungsvertrag geschlossen wurde mit dem Anspruch auf sicheren und gefahrlosen Transport: Der daraus resultierende vertragliche Schutz des “Aussteigens” aus einem Flugzeug endet erst, wenn sich der Passagier nicht mehr in der Obhut des Tandem-Piloten befindet.

Unwirksam war für die Kammer des Landgerichts die Unterschrift unter dem Haftungsausschluss. In der Formulierung der betreffenden Klausel erkannte sie einen Verstoß gegen das Verständlichkeitsgebot.

Das Kölner Landgericht entschied für den Kläger und sprach ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu sowie Schadenersatz von rund 8700 Euro (u.a. für Haushaltsführungsschaden, eigene Kranken- und Besuchsfahrten der Ehefrau, außergerichtliche Anwaltskosten). Für alle weiteren noch später auftretenden Schäden hätte die Beklagte zudem bis zu einer gesetzlichen Höchstgrenze von ca. 163.000 Euro zu haften.

Das Urteil des Landgerichts Köln vom 7.12.2022 ist noch nicht rechtskräftig (Az: 3 O 176/19).

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