6 Stunden bis zum Absturz über die Nordsee

Kurzdarstellung
Das Flugzeug startete am Flugplatz Uetersen/Heist zu einem privaten Flug unter Sichtflugregeln. Statt das angegebene, südlich gelegene Ziel Bayreuth anzusteuern, nahm das Luftfahrzeug direkt nach dem Start einen nordwestlichen Kurs ein. Die Radarspur endet nach 06:19 h Flugzeit ca. 70 NM südöstlich der Shetland-Inseln (UK).

Ereignisse und Flugverlauf
Nach Aussagen des am Flugplatz Uetersen/Heist ansässigen Halters charterte der Pilot die Cessna 172S, um in Bayreuth Verwandtschaft zu besuchen, und gab an, am nächsten Tag zurückfliegen sowie das Flugzeug gegen 18 Uhr dem Halter wieder übergeben zu wollen. Nachdem ein Vertreter des Halters das Luftfahrzeug am 30.09.2023 gegen 09:15 Uhr mit ca. 92 l Kraftstoff vollgetankt und an den Piloten übergeben hatte, startete es laut Startliste und Aussage des Flugleiters um 10:27 Uhr auf der Graspiste 27 zu einem privaten Überlandflug unter Sichtflugregeln mit dem Ziel Bayreuth.

Den Radaraufzeichnungen zufolge nahm das Luftfahrzeug kurz nach dem Start, vor dem Überqueren der Elbe, einen nordwestlichen Kurs (ca. 300°) ein. Der angegebene Zielfluglatz Bayreuth liegt 143 NM in südsüdöstlicher Richtung. Gegen 12:05 Uhr drehte das Luftfahrzeug weiter in nördliche Richtung (ca. 330°) und flog ca. 7 min später in 6’200 ft AMSL in den dänischen Luftraum ein. Um 13:43 Uhr erfasste die norwegische Flugsicherung das Luftfahrzeug mit unverändertem Kurs im internationalen Luftraum. Von 14:47 Uhr bis 14:52 Uhr stieg das Luftfahrzeug von 6’200 ft auf 8’500 ft AMSL und flog über der Nordsee weiter in nordnordwestliche Richtung. Ab etwa 16:38 Uhr begann das Luftfahrzeug mit durchschnittlich 1 000 ft/min zu sinken und verließ den nördlichen Kurs zunächst nach rechts, bevor zahlreiche, kleinräumige Kurswechsel folgten. Das letzte Radarziel erfasste die norwegische Flugsicherung um 16:45:49 Uhr ca. 70 NM südöstlich der Shetland-Inseln (UK) bzw. etwas mehr als 500 NM vom Startflugplatz entfernt in 1’700 ft AMSL (ca. 06:19 h nach dem Start bzw. 8 min nach Beginn des Sinkfluges). Seitdem gilt das Luftfahrzeug samt Piloten als vermisst.

Während des gesamten Fluges, außer im Zeitraum von 13:13 Uhr bis 13:43 Uhr, empfingen Radaranlagen das Transpondersignal des Luftfahrzeugs mit dem VFR-Code 7000. Zu keiner Zeit bestand Funkkontakt mit der Flugsicherung bzw. dem Flug-Informationsdienst eines der genannten Länder, deren Lufträume durchflogen wurden. Weder Dänemark noch Norwegen registrierte eine Landung des Luftfahrzeugs. Ein Flugplan wurde nicht aufgegeben. Der Halter meldete das Luftfahrzeug am Folgetag (01.10.2023) als vermisst, da es zur vereinbarten Zeit nicht zurückgekehrt war.

Medizinische und pathologische Angaben
Aus der medizinischen Akte des Piloten beim Luftfahrt-Bundesamt ging eine mit zweifach-Medikation eingestellte chronische arterielle Hypertonie des Piloten hervor, die er in seiner letzten flugmedizinischen Begutachtung angab. Die restlichen Untersuchungsbefunde waren unauffällig und gaben keine Anhaltspunkte, eine Flugtauglichkeit der Klasse 2 mit der Einschränkung VML zu verweigern. Insgesamt ließ die medizinische Akte keine Indizien für eine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung des Piloten erkennen.

Überlebensaspekte
Die zuständigen Flugsicherungsstellen zeichneten den Flugweg des Luftfahrzeuges auf, allerdings beobachtete niemand aktiv den Flug oder möglichen Aufprall auf der Nordsee noch machte der Pilot per Notruf oder Transpondercode auf sich aufmerksam. Ein Signal des Notpeilsenders wurde nicht empfangen. Da die Radarspur des Luftfahrzeugs zunächst vermeintlich um 12:25 Uhr endete, entsandten die ersten, deutschen Such- und Rettungsdienste (Aeronautical Rescue Coordination Centre (ARCC) und Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) Bremen) am 1. Tag nach dem Unfall (01.10.2023) ein Such-Schiff und ein -Flugzeug zu diesem Ort in deutschen Gewässern. Am 2. Tag nach dem Unfall (02.10.2023) meldete die norwegische Flugsicherung, das Luftfahrzeug noch vor der norwegischen Küste registriert zu haben. Daraufhin entsandten die britischen und norwegischen Such- und Rettungsdienste (MRCC & ARCC Aberdeen sowie Joint Rescue Coordination Centre (JRCC) Stavanger) ein Such-Schiff und ein -Flugzeug zu dieser letzten Radarposition von 16:46 Uhr in internationalen Gewässern ca. 70 NM südöstlich der Shetland-Inseln (UK). Die Suche wurde am Abend des 02.10.23 ohne Erfolg eingestellt. Bis zur Veröffentlichung dieses Berichts konnte das Luftfahrzeug trotz diverser Bemühungen verschiedener Länder nicht lokalisiert werden. Die beim Kontakt mit der Wasseroberfläche aufgetretenen Kräfte, die geringe Wasser-Temperatur, der Mangel an Seenotausrüstung sowie die erst am Folgetag eingeleitete Suche, machten diesen Flugunfall auf der Nordsee schwer bis nicht überlebbar.

Zusätzliche Informationen
Laut Halter hatte der Pilot für den Unfalltag explizit ein Flugzeug mit Autopilot angefordert. Dieses sei ihm vollgetankt an der Tankstelle übergeben worden, wo der Pilot auch seine Checks durchgeführt habe. Gegenüber dem Halter machte die Ehefrau des Piloten die Aussage, dass sie zunächst als Passagierin für den Unfallflug eingeplant war. Morgens hätte der Pilot ihr spontan mitgeteilt, dass sie nicht mitfliegen würde. Die näheren Umstände und Beweggründe sind der BFU nicht bekannt. Quelle und vollständiger Untersuchungsbericht: ‚BFU, Bundesstelle für Flugunfall-Untersuchung‚.

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