2022 – was für eine Flugsaison! (Teil 1)

Martin Knops berichtet auf flieger.news regelmässig über die Erfahrungen mit seinem Traumflugzeug Jonkers JS 1.

Im Tal von Chamonix: Blick auf die Aiguille du Midi und die Grandes Jorasses im Hintergrund.
Autor Martin Knops

Was für eine Saison! Ganz persönlich, aber auch allgemein. In den 35 Jahren meines bisherigen Fliegerlebens gab es wohl noch kein Jahr, in dem in Deutschland an so vielen Tagen 1000er geflogen worden sind.

Und ich war an keinem dieser Tage zur Stelle – falscher Ort, keine Zeit (meist), verpennt oder gerade auf einem Wettbewerb – dazu später mehr. Auch in meinem Urlaub in den französischen Alpen habe ich es so schlecht wie noch nie erwischt: nur drei von sieben Tagen waren fliegbar.

Grund sich zu grämen? Mitnichten! Auch ich habe fantastische Flüge gemacht – spektakuläre sogar! Und nebenbei bin ich nach 14 Jahren Abstinenz erfolgreich wieder ins Wettbewerbsgeschehen eingestiegen. „Erfolgreich“ ist sogar leicht untertrieben: Mit einem zweiten Platz im Jenacup gegen und vor Koryphäen wie Bruno Gantenbrink und Alexander Müller hätte ich im Leben nicht gerechnet – einfach wunderbar!

Zäumen wir das Pferd ausnahmsweise mal von hinten auf und beginnen mit den drei tollen Tagen in Serres. Eigentlich sollte es wie üblich eine volle Flugwoche werden. Aber der Wettergott hatte diesmal etwas dagegen.

Angekommen am Freitag, 12.August 2022, begann es am Samstag vielversprechend: homogene Bedingungen bis weit in den Norden (in Deutschland wurden an dem Tag mal wieder 1000 km geflogen), aber weitgehend blau, im Südosten dafür Gefahr von Schauern und niedrige Basis.

Nicht alle teilten meine Euphorie, hatten sie doch 14 Tage grandiosen Wetters in den Knochen, ein Tag besser als der andere. Und jetzt Blauthermik… die verbrachte man doch besser am Pool als in der Luft.

Inmitten der Gletscherwelt des Wallis (Blick von Norden auf den Mont Blanc de Cheillon)

Mich dagegen schreckt Blauthermik im Gebirge überhaupt nicht. Leicht übertreibend behaupte ich sogar, dass Wolken im Gebirge nur stören – als Störfaktor im ansonsten perfekten Zusammenspiel von Wind, Sonne und Orographie.

Dabei schätze natürlich auch ich eine möglichst detaillierte und verlässliche Prognose von Arbeitshöhen und Thermikgüte. Damit lässt sich das Risiko unangenehmer Überraschungen beim Flug ins Blaue effektiv reduzieren. Herausgekommen ist an diesem Samstag ein wunderbarer Flug über mehr als 700 km zunächst nach Norden durch die Ecrins, westlich vorbei am Mont Blanc und zurück durch die Gletscherwelt des Wallis. Dort nur mit der Hilfe von Sonne und Wind hindurch zu fliegen, ist immer wieder so beeindruckend, die Landschaft so imposant und majestätisch!

Selbst in über 3000m Höhe fühlt man sich hier ganz klein, muss man den Kopf in den Nacken legen, um im Vorbeiflug einen Blick auf den fast 2000m höheren Gipfel zu erhaschen. Hier gibt es tatsächlich noch das sprichwörtliche ewige Eis, hier schweifen die Blicke über die wohl ausgedehnteste Gletscher-, Eis- und Felslandschaft, die die Alpen zu bieten haben. 

Am weitläufigen Mont Blanc Massif bewundere und bestaune ich immer wieder die tollkühn konstruierten Seilbahnen, die die unwirtlichsten Ecken erschließen. Unglaublich, welch winzige Vorsprünge und Felsnadeln hier als Untergrund für Pfeiler, Stützen und Stationen dienen. Mit welchem Einsatz, sicher auch Einsatz von Menschenleben sind diese Bauwerke wohl einst errichtet worden. Kein Vergleich mit den eher profanen Seilbahnen, die ich aus den von mir typischerweise besuchten Skigebieten kenne. 

Die Bergwelt zwischen Mt Blanc im Westen, Aostatal im Süden, Mattertal im Osten und Rhônetal im Norden glänzt dagegen durch ihre Unberührtheit. Nur vereinzelte Stauseen zeugen hier von menschlicher Zivilisation. Ansonsten schweift der Blick über viele viele Kilometer von Gipfel zu Gipfel, von Gletscher zu Gletscher, von Schneefeld zu Schneefeld. Kein Dorf, kein Skigebiet, keine Seilbahn. Dafür ein Viertausender neben dem nächsten – Wow!

Ich sauge das alles in mich auf und genieße! Ein wunderbarer erster Flugtag!

Das „Dach Europas“, der Mont Blanc

Irgendwann wird die Flugzeugnase doch gen Süden gedreht und ich entschwinde dem Wallis Richtung Vannoise. Unter bewusster Umgehung des Vogelschutzgebiets am Gran Paradiso geht es jetzt zügig auf fast schon ausgetretenen Pfaden zurück in heimatliche Gefilde. Modanetal, Bardonecchia, Brianconnais; hier kann ich mich schon fast schlafwandlerisch bewegen. Und doch macht es immer noch und immer wieder ungeheuren Spaß hier zu fliegen – und das Wetter sorgt immer wieder für Überraschungseffekte und lehrt einen Neues.

Heute läuft es und ich werde fast übermütig. Dreihundert Kilometer mit nur 5 Kreisen, einfach fantastisch! (Hier der Link zum Flugweg 😀).

Geradeaus, immer weiter geradeaus geht es nach Süden bis zum Lac de Castellane und von dort wieder nach Norden bis an die Nordspitze der Écrins, immer noch ohne Kreis zurück nach Serres. 

Das hat echtes Suchtpotenzial: atemberaubend, berauschend. „Klein Martin, der König der Berge“ – ein wenig fing ich an mich so zu fühlen – und erschrak! Hier droht es, gefährlich zu werden. Niemals darf man den Respekt vor den Bergen verlieren, niemals darf man überheblich, gar leichtsinnig werden, immer muss man das Bewusstsein für die Gefahren wach halten!

Diese Gedanken vermochten es natürlich nicht, meine Freude über diesen wunderbaren ersten Flugtag zu trüben. So toll! Ich war einfach glücklich, schlicht und einfach – glücklich! Allein für diesen einen Flug hatte sich die weite Anreise schon gelohnt!

(Fortsetzung folgt…)

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