Atlantik, Mittelmeer und Alpen – Tour de France 2011.

Unsere diesjährige Motorflug-Tour führt uns in drei Tagen um die sehenswertesten Regionen der südlichen Hälfte Frankreichs. Den Norden haben wir aus Wettergründen diesmal ausgeklammert. Das fliegerische Vergnügen war maximal, wir haben alles gesehen, was Frankreich aus der Luft ausmacht.

Zuviele Verhinderer.

Motorflug-Reiseberichte behandeln häufig als Höhepunkt den erfolgreichen Umgang mit Landegebühren, Flugplatz-Scheriffen, störrischen Zollbehörden und anderen Controllern. Fliegen kommt häufig gerade noch als Randerscheinung vor.

Daran ist etwas Grundsätzliches falsch. Ich bin seit 30 Jahren der Meinung, ich bräuchte eigentlich nur 600 Meter Beton und ein getanktes Flugzeug für eine Reise. Alles andere stört das Vergnügen. Im Laufe der Zeit habe ich mich aber etwas daran gewöhnt, keine drei Minuten geradeaus fliegen zu können, um einem irgendwie gearteten Controller (kommt von controllieren) frequenzwechselnderweise erneut zu erklären, wie viele Personen wir an Bord sind, wo ich gestartet bin und wo ich zu landen beabsichtige. Welche Art von Flugzeug ich bewege und wieweit ich denn heute damit so käme. Als ob das der Sicherheit der Fliegerei zuträglich oder zu sonstwas nütze wäre. Und als ob das nicht schon alles im Flugplan drinstand, den einer seiner Gspänli gerade zu aktivieren oder durchzulesen vergessen hat. Das Einzige, was die ständige Quasslerei verursacht, ist erheblicher temporärer Stresszuwachs. Weil man irgendeinen verlangten Meldepunkt gerade nicht auf der Karte findet. Und dazu auch noch fliegen und hinausschauen sollte. Multitasking eben. Die Folge von all diesen Flugverhinderungs-Massnahmen: manche Motorflieger getrauen sich deswegen bloss noch an einem stahlblauen Sonntagnachmittag rondomdesäntis. Schon gar nicht bei komischem Wetter. Noch weniger an einen funkgeführten, kontrollierten Platz. Noch viel weniger ins fremdsprachige Ausland. Und schon überhaupt nicht ohne Linienpilot auf dem Nebensitz in die Nähe eines internationalen Flugplatzes.

Hier das Foto-Album von Köbi:

Förderverein zu Erhaltung und Hebung des Flugvergnügens e.V. (FvzEuHdFv)
Damit ich selber nicht auch in diese Spirale gerate, die am Ende ins bürokratisch-fliegerisch-schwarze-Loch führt, machen wir jährlich einen Ausflug, der obige Elemente enthält – so bleibt man im Saft. Für schwieriges Wetter ist häufig ohne Dazutun gesorgt. Den Rest ziehen wir aber voll durch. Diesmal planen wir nach einem längeren Wetter-Check zwei Tage vor der Abreise eine Strecke, die auf der Rückseite der letzten Front quer durch alle kontrollierten Lufträume und Sperrgebiete zuerst an den Atlantik, dann im schönen Hochdruckwetter an den Pyrenäen vorbei zurück in die Region des Rhônetals oder wahlweise je nach Wetter auch Mittelmeers führt. Um von da aus der anrückenden Gewitter-Kaltfront anderntags rechtzeitig wieder in die Schweiz entwischen zu können. Also ein gut gefülltes Programm und eine ausgefeilte Strategie. Um den etwas weit entfernten Atlantik zu rechtfertigen, bauen wir einen Museumsbesuch an der Heimstätte von Latécoère und der Wasserflugzeuge in Biscarosse ein. Die volle Dekadenz also.

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Annemasse mit einmaligem Panorama-Blick auf den Mont Blanc.

‚A‘ wie ‚Andi‘ und ‚Annemasse‘.

Der FvzEuHdfv besteht dieses Jahr aus Jakob Däscher, meinem jahrelangen, leidgeprüften Fliegerspänli. Er war schon mehrmals bei diesen leicht abenteuerlichen Ausflügen dabei und ist völlig wetterfest und Kummer aller Art gewohnt. Was wir noch nicht geschafft haben, ist eine Reise in den richtigen Norden. An die Ostsee oder nach Skandinavien. Immer war das Wetter zu marginal, wie diesmal in dieser Gegend auch wieder. Aber vielleicht klappt das ein andermal. Neu im FvzEuHdfv ist dieses Jahr Andreas Hefti, ein früheres Ski-Gspänli, das ich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen habe und der vor wenigen Jahren als Pilot in Mollis wieder auf den Radar gekommen ist.

Unspektakulär.
Die erste Etappe auf den Zollflugplatz südlich von Genf verläuft völlig unspektakulär. Ausser, dass ich das falsche Zollformular ausfülle. Jenes für Helikopter. Und für auswärtige Gäste von Mollis statt jenes für Einheimische und Flächenflieger. Sind wir natürlich beides nicht. Habe trotz einer stundenlangen Schulung vergessen, dass es verschiedene Zollformulare gibt. Aber das ist ja auch schon wieder ein halbes Jahr her. Der Flug verläuft im laufend schöner werdenden Wetter entlang der Schweizer Voralpen wirklich ereignislos, ausser, dass uns der Controller in Bern vergisst und erst auf erneutes Nachfragen explizit eine Crossing-Clearance füräbrösmelet.

Schöner Funk-Parkplatz.

Annemasse hat einen aussergewöhnlich schönen… Anflug. Im Final der Piste 12 fliegt man direkt auf den Mont Blanc im Hintergrund zu. Funkverkehr? Gibt es auch. Er beschränkt sich zur Hauptsache darauf, einen Parkplatz zuzuweisen. Dabei schwingt nach Andis Meinung bereits eine feine Prise Erotik auf einer Neben-Frequenz mit. Sein Eindruck täuscht nicht. Beim Ausfüllen der Startliste wird klar, warum er gerade bei dieser Equipe den Eingangszoll nach Frankreich machen will. Die Begründung, nachher fernab jeglicher zeitlich hinderlichen und eigentlich gefährlichen Zollvorschriften dorthin fliegen zu können, wo man wolle, wirkt beim Anblick der französischen Beauté gegenüber etwas durchsichtig.

PPL-Petflaschen-Taliban.
Für den Toast im Flugplatz-Restaurant müsste man schon nicht extra hierherfliegen. Aber wir sind froh, überhaupt etwas zwischen die Beisserchen zu bekommen. Schliesslich steht uns noch ein langer Flug an den Atlantik bevor. Wegen der Zollvorschriften seit dem 11. September verzichten wir darauf, etwas Flüssiges mitzunehmen, weil man das ja sowieso am Zoll ausleeren muss. Dafür dehydrieren wir dann fast, bis wir den Atlantik sehen… Das Problem begleitet uns auf der ganzen Reise. Es ist in meinen Augen die weitaus grössere Gefahr für die Zivilisation als ein fliegender Privatpiloten-Taliban mit Chemikalien in einer Petflasche.

Holding mit Umweg.
Wir klettern nach dem Start dem Salève entlang nach Chambéry. Unter uns breiten sich in 3’500 Fuss weisse Wattebäusche aus. ‚Broken’ sei das, sagt der nur für Piloten verständlich gemachte Wetterbericht. Schaut man aus einem flachen Winkel drauf, scheint die Dichte eher ‚overcast’. Drunter fliegen möchte ich eigentlich nur schon der heissen Temperatur im Cockpit wegen nicht. Und ambodänachä Flüge ist anspruchsvoller und strenger. Und da steht ja in der nächsten halben Stunde auch noch das Zentralmassiv im Weg. Also versuche ich, mich mit einer Controllerin in Lyon darauf zu einigen, über 5’000 Fuss ihren südlichen Luftraum queren zu dürfen. Anfangs schickt sie mich auf ein Holding. Danach immer mehr über meinen geplanten Kartenrand hinaus, durch ein Sperrgebiet direkt auf dem offenbar unbenutzten Flughafen von Grenoble. Da isch kä Tappä in der Luft oder am Boden. Mein Mäusekino, das mir laufend die aktuelle Position akkurat zeigt, eignet sich leider in der Luft nicht so für die Planung langer Strecken. Dafür weiss ich immer, wo ich bin. Immerhin. Mit den Wolken untendran wäre das ohne Mäusekino natürlich stressiger. Nach einem zehnminütigen rechtwinkligen Umweg dürfen wir dann doch noch nach Westen aufbrechen. Auf derselben kühlen Höhe von vorhin. Und 500 Füsse im kontrollierten Luftraum drin. Auch eine Flugzeug-Klima-Anlage wäre also ein sicherheitsrelevantes Ausrüstungs-Teil. Mit einem kochenden Hirn kann niemand gescheit (und tief) fliegen.

Zentralmassiv, Coquillages und Tigershrimps.
Je weiter wir nach Westen gelangen, umso mehr trocknet das aufbauende Hoch die Luftmasse ab. Die Sicht westlich des Rhônetals ist ausgezeichnet, das Zentralmassiv zeigt sich von der schönsten Seite. Ich war schon ewig nicht mehr hier. Südlich von Bordeaux schlüffemer immer näher an den Atlantik. Inzwischen kann ich sogar den sog. ‚Altitude-Preselector’ einwandfrei (also im Schlaf) bedienen. Das Instrument führt zu konstanten, angenehmen Sinkflügen und erhöht damit über lange Strecken die Reisegeschwindigkeit. Dafür bekommt niemand an Bord wegen hoher Druckunterschiede Muffensausen in den Ohren. Die Gegend wird spannender. Das Bassin d’Arcachon ist jene Region Frankreichs mit dem grössten Tidenhub. Das führt dazu, dass eine grosse Wasserfläche im Landesinneren sich fast ganz entleert, wenn Ebbe ist. Und bei Flut müsse man sehr gut zu Fuss sein, um dem ansteigenden Meer noch entwischen zu können. Das Bassin d’Arcachon ist voller Muschelzuchten. Köbi kann sich so langsam daran gewöhnen, dass es heute keine heissgeliebten Steaks (c’est quoi, des vaches? – fragen die einheimischen Kellner beim Bestellen) zum Znacht gibt, sondern black TigerShrimps, Austern, Muscheln und Co. Vielleicht trifft am ehesten noch ein Schaf seine Essenswünsche. Köbi hat jetzt schon Hunger. Ich getraue mich nicht, ihm zu sagen, wie lange das noch gehen wird. Durst haben wir auch. Aber wir halten eisern durch, obwohl wir seit längerem in einem gut gelüfteten Backofen sitzen.

Wanderdüne
.
Aquitaine Information ist sehr kompetent. Der Controller macht uns sauber, in gut verständlichem Englisch und konsequent auf aktivierte Sperrgebiete aufmerksam. Davon hat es hier in der Gegend eine unübersichtliche Menge mit noch unübersichtlicheren französischen Nummern. ‚Jaaanüüüddriifflüüüge’ auf Französisch also. Mein Mäusekino reklamiert zum Glück ebenso frühzeitig wie zuverlässig, wenn wir auf ein ‚Lima Romeo Trohntesängg Alfa’ (ist weder ein südamerikanischer Casanova noch ein italienisches Sportcoupé) und seine Kollegen nur schon zusteuern. Also dürfen wir akkurat zwischen den Sperrgebieten, dem Flughafen Bordeaux, den Militär-Basen und Radarstationen, Mirage-Tiefflugstrecken und der schönen Dinge mehr durchzielen und sind plötzlich an der Küste und über der grössten Wander-Sanddüne Europas. Zusammen mit einem cheibäschnellä Helikopter sausen wir im Tiefflug unter Tausend Fuss der einsamen Atlantikküste entlang nach Süden. Hier müsste man bei den hohen Wellen und dem zügigen Wind spitzenmässig surfen können. Vor dem letzten Sperrgebiet für heute biegen wir links ab, verabschieden uns beim netten Herrn von Aquitaine Info und wechseln kurz vor der Landung auf die Frequenz von Biscarosse – jaahaa, das ist noch in Europa… Da geht es ebenso professionell weiter. Interessant. Das ist ja eigentlich ein unbesetzter Flugplatz wie sie hier in der Gegend häufig sind.

Beau Weekend!

Wir dürfen direkt auf die Piste 09 hineinziehen. Bevor der Mann am Funk den Laden dichtmacht, fragt er noch, ob wir was bräuchten. Da hätte ich besser ‚Ja, gern – Benzin’ gesagt.

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Wenig Trafic: Biscarosse am Atlantik.

Wir packen den vollen Kofferraum unserer schönen Trinidad aus, vertreten uns die Füsse, Andi zieht sich eine Notration Nikotin ein und Köbi organisiert am Handy die letzten Reste seines Firmenjubiläums. Dann zotteln wir mit Voll-Packung Richtung Tower. Der nette Herr vom Funk ist der Chef einer staatlichen Pilotenschule und macht gerade Dienstschluss. Er organisiert uns noch eine Taxi-Telefonnummer, bevor er mit seiner Sekretärin ins Weekend entschwebt.

Da sind wir also. Etwas einsam. Im europäischen Zentrum der Wasserfliegerei. In der Heimat von Latécoère und anderen fliegerischen Legenden. Hier und jetzt ist aber gar niemand. Nix. Zu trinken. Nix Büro. Nix Landetaxen. Nix Benzin.

Nächtliche Flugplanung im homeoffice.

In Biscarosse erwartet uns ein gemütliches Hotel namens ‚La Caravelle’. Es liegt direkt an einem herrlichen Binnensee. Da wir ohne Flugzeug etwas immobil sind, essen wir auch gleich auf der Terrasse mit Seeblick. Die erwähnten Austern, Muscheln, Shrimps & Co.

Benzinplanung.
Um das volle Tagesprogramm noch abzurunden, machen wir für den morgigen Flug nach dem frühzeitigen Museumsbesuch der ‚hydroaviations’ noch die Flugplanung nach Südost-Frankreich. Entweder nach Gap oder Cannes. Köbi will Letzteres. Und wenn’s geht, der Küste entlang. Die Planerei geht dank unserem mobilen Büro mitsamt Druckerli für die stromlose Notfall-Flugplanungs-Version sehr effizient. Etwas Sörgeli macht dagegen das Finden einer Benzinquelle. In den offiziellen Unterlagen ist hier zwar ausdrücklich Avgas 100 erhältlich. Stutzig macht dagegen der Vermerk ‚Total AirCard only’. Haben wir nicht. Und ob wir am Samstag auf diesem einsamen Flugfeld jemanden finden, der sie uns leiht, ist eine zweite Frage. Bevor mir die Augen zufallen, lege ich mir schon mal ein paar Backups zurecht. Wir haben noch für etwas mehr als eine Stunde Flugzeit Benzin in den Flächen. Damit würden wir auch einen grösseren Flugplatz in der Region erreichen. Aber ob sich da nicht am Ende eine ähnliche Ausgangslage zeigt? Nur dann ohne die bis dahin verbrauchten 80 Liter Benzin in den Flächen…

Zuerst Pech mit einem Museum.
Anderntags stehen wir früh auf der Frühstücks-Terrasse. Und kurz danach vor geschlossenen Türen des Wasserflugzeug-Museums. So ein Käse. Hat nur im Juli und August täglich ganztags geöffnet. Ab September nur nachmittags. War im Internet so nicht formuliert, hilft aber jetzt auch nicht. Wir drehen unverrichteter Dinge von den Dorniers & Co. auf dem Absatz um und fahren mit dem Taxi zurück zum Flugfeld Biscarosse. Ein einsamer Streifen von 1’000 Meter Beton und zwei Tankstellen erwartet uns. Sonst nichts. Vorläufig wenigstens.

Benzinoase.
Wir durchkämmen jede Ecke nach vorhandenen Menschen. Mit oder ohne Benzinkarte. Erfolglos. Da beginnt ein ULM-Flugzeugfloh Runden zu drehen. Sieht nach Ausbildungsflügen aus. Ich krame mein Handfunkgerät hervor und frage die Ultraleichten nach einer Chance, hier Benzin tanken zu können. „Naturellement – c’est facile. À la station d’essence, il y a une numéro de téléphone d’une personne qui habite à la commune des pilotes…» Na, da hoffen wir mal, dass die Person am Samstagmorgen zuhause in der hiesigen Siedlung für Menschen mit eigenem Flugzeug, eigener Villa und eigenem Hangar ist, auf Anrufe Benzinsuchender wartet und standby mit seiner Total AirCard in der Haustür steht. Wird vermutlich nicht ganz einfach. Ich durchsuche mal die grosszügige und saubere Benzinstation. Ausser einer ganzen Menge von Total AirCards an einer Kette hängt da gar keine Telefonnummer in Sichtweite. Da ruft mich der ultraleichte Fluglehrer wieder am Funk auf und weist mich darauf hin, dass eine andere Benzinstation gemeint gewesen sei. Jene, wo ich stünde, gehöre zur Fliegerschule. Die hat nur Montag bis Freitag offen. Prima. Dann wandere ich sofort zur anderen Benzinstation. Wir halten jeden Grashalm fest.

Dann Glück mit einem privaten Museum.
Andreas und Köbi packen schon mal die Trinidad voll, während ich ans andere Pistenende gehe. Auf dem Weg dahin treffe ich vor einem Hangar einen Gyrocopter mitsamt einem Menschen davor. Sieht kompetent aus. Er telefoniert mit einem mutigen Fluggast. Danach verweist er mich ebenfalls an die Tankstelle mit der Telefonnummer. Bei der nächsten Hangarecke ist schon richtiges Business im Gange. Eine Ultraleicht-Flugschule mitsamt modernem, blitzsauberem Büro und Sekretärin organisiert ebenfalls gerade Passagierflüge. Hat aber aus Versicherungsgründen auch keine Total AirCard vorig. Auch nicht leihweise. Auch nicht gegen Cash. Hmmhh. Schwierig.

Jeff.
Bevor ich die richtige Tanksäule erreiche, stürchle ich über Jeff. Er sieht schon auf den ersten Blick extrem kompetent aus. Sein kleiner Polizeihund auch. Jeff ist Walliser und besitzt hier ein Grundstück. Und einen grossen Hangar. Mit allerhand altem, interessantem Fluggerät drin. Mehrere Stampes. Eine Boeing Stearman. Eine Cirrus. Eine Cessna 182. Und einen historischen Traktor mit ähnlichem Jahrgang wie die Flugzeuge, die er herumzieht. Alles in perfektem Zustand und technisch auf Vordermann. Jeff ist ein hilfsbereiter Mann. Er versucht zuerst für mich, die ihm bekannte Benzin-Telefonnummer anzurufen. Als da (habe ich nicht wirklich anders erwartet) niemand zuhause ist, sucht er den PIN-Code seiner eigenen Benzinkarte und hilft uns damit aus. Wir packen die Gelegenheit und füllen 180 Liter in die Flächen. Andi hat inzwischen die Trinidad hergetäxelet.

Oldtimer-Prominenz.
Jeff muss in der Oldtimer-Szene ein weltbekannter Mann sein. Er zeigt uns ausführlich sein privates Fliegermuseum. Offenbar restauriert und pflegt er Stampes eigenhändig und besitzt gleich ein Dutzend davon. Bei einem weltweiten Gesamtbestand von noch 60 fliegenden Exemplaren dürfte das die grösste Sammlung dieser eleganten belgischen Doppeldecker sein. Er gibt hier auch sein einmaliges technisches Wissen weiter und instruiert in seinem neu erworbenen Hangar angehende private und kommerzielle Flugzeug-Mechaniker.

Mit einem warmen Kaffee aus Jeff’s noch improvisierter Küche im Bauch entern wir die HB-KPN und machen uns auf den langen Weg ans Mittelmeer. Einerseits schade, dass das Musée des hydroaviations geschlossen war. Anderseits wäre uns möglicherweise gar nicht aufgefallen, welche Schätze hier in einem Hangar am Ufer des Atlantiks parkiert sind. Und so haben wir erst noch einen guten Grund, nochmals in einem Juli oder August herzukommen, wenn das Museum geöffnet ist.

Die erste Flugetappe führt der pfeilgeraden Atlantikküste entlang im Tiefstflug unter 1’000 Fuss bis kurz vor Biarritz. Die Region ist nur schwach besiedelt und voller endloser Pinienwälder. Die Sandstrände sehen von hier hoben einfach traumhaft aus. Hohe Wellen und ständiger, auflandiger Westwind müssen ein Surfer’s Paradise sein.

Von einer FIR zu andern.
Diese Region Frankreichs hat gleich mehrere Fluginformations-Gebiete. Nach der gestrigen, positiven Erfahrung mit Aquitaine Info starten wir dort schon gleich nach dem Start den ersten Aufruf. Niemand zu Hause. Ich warte, bis wir das angrenzende Gebiet von Biarritz Info erreichen. Anfangs sind wir vermutlich etwas gar tief und weit weg, auch niemand zu Hause. Irgendwann beginnt es dann doch am Funk französisch zu tröten und ich werde meinen Funkspruch los. Wir überfliegen inzwischen eine ziemlich dichte Wolkendecke (broken) mit einer Obergrenze von ca. 1’500 Fuss. Nicht sonderlich gemütlich, teilweise sind die Löcher selten, vor allem, wenn man flach über die Tops blickt. Navigieren ohne GPS wäre nur direkt im Tiefflug unter den Wolken möglich. Aber trotz der extrem flachen Gegend nicht wirklich sicherer.

Happiger Gegenwind nach Cannes.
Wir werden von Biarritz nach Pau, Lourdes und am Ende an Toulouse Info weitergereicht und folgen teilweise vorgegebenen VFR-Routen. Freigaben sind überhaupt kein Thema, die bekommen wir ausnahmslos und vor allem sofort. Die feuchte Luftschicht hat sich nach ca. 20 Minuten in klare, trockene Luft verwandelt. Dafür nimmt der Gegenwind erheblich zu. Das GPS zeigt teilweise einen Groundspeed von weniger als 100 Knoten an. Wir fliegen zwar schon nur mit 55% Leistung, aber so kommen wir natürlich kaum vorwärts. Je näher das Mittelmeer kommt, umso feuchter wird die Luft wieder. Diesmal aber mit einer deutlich höheren Wolken-Untergrenze. In Erwartung der Sichtflug-Tiefst-Flug-Strecken dem Mittelmeer entlang entscheiden wir uns diesmal für undädurä. Wir wollen auf dem Weg nach Cannes, auf das wir uns gestern Abend noch geeinigt haben, schliesslich keine ‚Ecken’ in die Luft fliegen.

1’800 Jahre altes les-Saintes-Maries de la Mer.
Montpellier Info lässt uns der Küste und der VFR-Route entlang auf 1’000 Fuss nach Osten fliegen. Diese Flugstrecke lohnt sich, ich bin hier nicht das erste Mal unterwegs. Ein Touristen-Hotspot reiht sich an den andern. Yachthäfen, Leuchttürme, Sandstrände, Etangs und Salzgewinnungsanlagen werden langsam aber sicher von Flamingos, frei lebenden Schimmeln und der Raffinerie von Fos-sur-Mer abgelöst. Ein sicheres Zeichen, dass wir im Tiefflug die Camarque überfliegen. Der berühmteste Ort inmitten dieser einmaligen Gegend ist Les Saintes-Maries de la Mer. Das ist ein pittoreskes Städtchen aus dem vierten Jahrhundert mit einem weltbekannten Zigeuner-Event. Hier wird die heilige Sara von den Gitanes (Fahrenden) verehrt.

Controller à gogo

Kaum erreichen wir Cap Couronne, werden wir plötzlich von einer Kontrollstelle an die nächste weitergegeben. Innert weniger Minuten wechsle ich dreimal die Frequenz. Teilweise muss ich nachfragen, bei wem ich nachfragen soll, weil ich die Station nicht verstanden habe. Der Stresspegel steigt leicht, wir sind ja in der CTR von Marseille und wollen niemandem zu nahe kommen. Auch nicht den Felsen auf der linken Seite. Die vorläufig letzte Kontrollstelle führt uns dann zu einem eher seltenen Überflug von Marseille Marignac. Das ist einer der gut frequentierten internationalen Flughäfen Frankreichs. Von links landet gerade ein Airbus A320, als wir auf 1’500 Fuss die Platzmitte Richtung Norden queren.

Kartenrand.
Über einen der östlichen Meldepunkte werden wir aus der CTR Marseilles hinausgeführt. Nun habe ich das Problem, dass meine Flugplanung erheblich durcheinander geraten ist. Mein Mäusekino zeigt unsere exakte Position und etwas Gegend drumherum. Aber eben nur etwas Gegend – für weitere Planungen ist es nicht so praktisch. Mein Papier-Karten-Ausdruck reicht gerade knapp bis dahin, wo wir sind. Eigentlich wollten wir ja den Calanques entlang südlich des Kriegshafens Toulon vorbei nach St.-Tropez fliegen. Das ist dann doch ein gutes Stück weiter südlich. Nun müssen wir mit Aix-les-Milles, einem der zahlreichen Atomkraftwerke und dem Helikopterplatz St.-Luc vorlieb nehmen. Auch gut. Hier kenne ich mich wenigstens vom Segelfliegen in Vinon her sehr gut aus, dass ich eigentlich keine Karte brauche. Wir folgen ab der gut sichtbaren Zahlstelle von Brignoles weg der Autobahn bis nach Cannes. Der Einflugpunkt dorthin ist ein kleiner Pass durch die Hügel westlich des ‚St.-Moritz-des-Mittelmeers’. Problemlos fädelt Andreas zwischen die Business-Jets im Anflug nach Cannes ein. Dann suchen wir nach der Landung als erstes nicht etwa den lang ersehnten Bier-, sondern – richtig: den Benzinhahn.

Tiefstes Afrika
Köbi und ich waren vor ein paar Jahren schon in Cannes. Deshalb ist die ‚Gastfreundschaft’ des Flughafens ein déjà-vu-Erlebnis – nur, dass sie uns diesmal nicht mehr auf dem falschen Fuss erwischt. Alle Tische im Restaurant sind leer, der Kellner und sein Koch trotzdem überlastet. Wir bekommen mit Mühe einen kleinen Tisch bei der Besenkammer. Aber gar nichts zu essen. Da wir gleich seit mehreren Stunden weder zu trinken noch zu essen hatten, sind wir reichlich hungrig und durstig. Aber nicht mal Nüssli oder Pommes Chips. haben sie in diesem elenden Ort. Selbst in Simbabwe kennt man sowas heute. Nicht so in Cannes, dem nobelsten Ort der Mittelmerrküste. Ich beobachte, wie auch beim C-Büro alle anströmenden ‚Kunden’ bzw. ‚Unterbrüche der Arbeit’ abgewimmelt werden, bloss nichts tun, ist hier die Devise. Auch unsere Landetaxe will niemand. Das könne man morgen doch vor dem Start gut erledigen. Da stellt sich dann heraus, dass ‚vergessen’ ging, die Landung im System einzutragen. Bloss gut, dass wir auch nirgends gestartet sind. Biscarosse war ja unbedient, einen Flugplan mussten wir nicht aufgeben und so hat administrativ gar kein Flug stattgefunden.Nach einem ersten Notfallbier mit knurrendem Magen flüchten wir blitzig in die Stadt. Andreas kennt ein schönes Hotel, da haben wir gerade noch das ‚letzte’ Zimmer bekommen. Würde ich auch sagen, wenn ich ein Hotel hätte und es ruft am Samstag-Nachmittag jemand an…

Die Gasse der 1001 Restaurants.
Dafür lassen wir’s uns im Hotel-Pool auf der Dachterrasse gut gehen. Hier muss während des Filmfestivals der Bär los sein. Den Flug für morgen nach Mollis planen wir auch noch, den Flugplan geben wir auf und die Zoll-Deklaration ebenfalls. 11.00 Uhr wollen wir in Mollis einschweben. Das heisst, morgen geht’s früh aus den Federn, damit wir vor der anrückenden Kaltfront zuhause sind.

Abends flanieren wir durch die Gasse der 1001 Restaurants. Das ist ein schmales Strässchen vom Hafen die Altstadt hinauf. Überall auf schiefen Untergrund sind grosse Bodenkeile montiert, darauf ist überall weiss gedeckt. Sieht sehr amächelig aus. Mit sicherem Kennerblick wählt Köbi eines der unzähligen Restaurants aus. Für Unterhaltung ist gesorgt, hier ist es, als würde man bei uns an der Landsgemeinde am Hauptausgang sitzen. Tausende von Besuchern strömen durch Cannes. Hier muss es allen an diesem riesigen Futtertopf Beteiligten gut gehen. Das erklärt etwas die ebenso faulen wie unfreundlichen Angestellten auf dem Flugplatz.

Nach einem prächtigen Nachtessen fallen wir im Hotel in die Kissen. Bevor das Schnarch-Konzert losgeht, hole ich die Fahne herunter und schlafe wie ein Murmeltier.

Morgens um Sieben liegt auf der Westseite der Bucht Seenebel bis ca. 2’000 Fuss. Sonst sind die Wetterbedingungen aber einwandfrei. Der normale Ausflugspunkt dürfte in den Wolken stecken, die Abreise also nicht ganz trickfrei werden.

Ausflug in Wolken.
So ist es dann auch. Als wir mit einer Viertelstunde Verspätung auf den Flugplan am Start stehen, lautet die Freigabe für den Ausflug, geradeaus zu steigen, auf 800 Fuss nach Westen zu drehen und den Ausflugspunkt auf maximal 2’000 Fuss anzufliegen. Das wird wohl etwas eng werden. Entweder mit der Sicht oder der maximalen Höhe. Mal schauen. Wir rasen über die Runway und steigen auf’s Meer hinaus. Ich warte mal, bis der Höhenmesser 1’000 Fuss hergibt, erst dann drehe ich unseren gut geladenen Flieger nach Westen. Das hat den Vorteil, dass wir leichter über den Seenebel hinweg steigen können. Wenn die Obergrenze noch in die Freigabe passt, kommen wir hier so weg, wie der Controller das wünscht. Der hat vermutlich heute noch nicht richtig aus dem Fenster geschaut – wir machen aber trotzdem, was er wünscht. Ich ziehe die Trinidad über und um die Wolkentops und melde mich scharf auf 2’000 Fuss über dem Ausflugspunkt. Dass ich den Abflugpunkt einen Augenblick lang nur im GPS sehe, unterschlage ich. Schliesslich ist rundherum ‚grand-beau’, ausser da, wo der Controller uns hinausschickt, staut die Feuchtigkeit.

Alpen-Rennstrecke.
Etwas frech frage ich auf der Information von Nizza einen Steigflug auf FL 100 an. Bis 75 bekomme ich nach einigem Zögern rasch, bis 95 eine Viertelstunde später. Dazwischen ist das Umfliegen einer restricted Aerea. Und einer zweiten, die ich bestens kenne. Die französischen Bodentruppen betreiben auf dem Plâteau du canjuers einen Schiess- und Übungsplatz. Neuchlen-Anschwilen auf südfranzösisch. Da habe ich sonntags noch nie einen Schuss gehört. Aber trotzdem dürfen wir da nicht durch. Also fliege ich auch da drum herum, immer die Nase schön hoch für den Steigflug über die höchen Französischen Alpen. Durch den Parc National du Mercantour fliegen wir zum Col d’Allos, über den Grand-Bérard nach Mont Dauphin und den Col d’etaches ins Maurienne. Da kenne ich vom Segelfliegen sozusagen jedes Grasport persönlich. In Norditalien staut sich eine Menge Feuchtigkeit bis knapp 4’000 Meter hinauf. Das wird heute noch höher kochen. Wir schleichen über Val d’Isère ins Aostatal und ziehen an den Grand Jorasses vorbei durch das Val Ferret ins Wallis. Der Rest ist Alpenfliegen pur. Alle schönen Walliser Viertausender sind auf der Menukarte. Über der Furka staut vom Gotthard her wieder mehr Feuchtigkeit ins Urserental. Wir können aber sauber unter die Wolken tauchen und über den sich rasch nähernden Klausenpass Mollis anfliegen. Den Flugplan kann ich noch mit dem letzten schwachen Funkkontakt in der Luft schliessen. Und schon hat uns Mollis wieder.

Höhere Sicherheit durch Zollvorschriften?
Zöllner haben wir auch nach dieser Landung trotz genauer Suche keinen gefunden. Es ist nicht ganz einfach, die vorgegebenen Zeiten als Privatflieger sauber einzuhalten. Das sorgt ab und zu für absolut unnötigen Stress – und Gefahren. Ob die Flug-Sicherheit durch die Zollvorgaben erhöht wird, muss man sich ernsthaft fragen. Beispiel: Dehydrierte Piloten, weil man keine Flüssigkeiten mitnehmen darf. Beispiel gefährlich gewählte Flugstrecke, weil es aus Zeitgründen zur Einhaltung der Zollvorschriften keine Umwege verträgt.

Am späteren Nachmittag rauscht dann die erwartete Kaltfront durch die Schweiz und richtet an verschiedenen Orten erhebliche Schäden an. Wir sind froh, dass die HB-KPN schön im trockenen Hangar in Sicherheit steht und freuen uns, mit ihr wieder einen ähnlichen Flug unternehmen zu können. Vielleicht dann wirklich mal nach Osten oder Norden. Am liebsten beides.

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